Die neuen Modevorbilder: Serien statt Fashionshows
Teenager rund um den Globus präsentieren sich dank des Netflix-Rekordbrechers „Wednesday“ gerade im düsteren Gothic Chic, Fashionistas gieren nach dem neonfarbenen Pulli aus „Emily in Paris“ und der HBO-Erfolg „Euphoria“ war Brandbeschleuniger für den Hype um Mode der Neunziger- und Nullerjahre. Kostümdesignerin Heidi Bivens arbeitete in der zweiten Staffel verstärkt mit Luxuslabels zusammen, so wie es schon ihre berühmte Kollegin Patricia Field in „Sex And The City“ (SATC) getan hatte und damit Schuhmarken wie Manolo Blahnik zum Kult machte.
Allerdings gab es damals noch keine Social-Media-Postings rund um Serien wie „SATC“ oder „Friends“, die ebenfalls jahrelang Trends mit Carries Kleidern oder Rachels Frisuren setzten. Ein historisch elementarer Unterschied, wie Medienforscher Ramon Reichert erklärt. Heute sei vor allem „Social Media ein schneller, extremer Verstärker, auf den Netflix ganz bewusst setzt“. Die Werbung für eine Serie entsteht so durch die Nutzer selbst, die ihre Begeisterung auf Tiktok und Co. teilen. „Das ist viel glaubwürdiger. Die Rezipienten verbreiten das Markenimage selbst“, erklärt Reichert das crossmediale Marketing.
Und noch ein Aspekt hat sich verändert. Vor einigen Jahren musste man noch monatelang warten, bis eine US-Serie übersetzt bei uns im TV ausgestrahlt wird. „Heute haben die Formate ein globales, gleichzeitiges Publikum. Auch TV-Shows von früher prägten die Mode, hatten aber mittelfristige Effekte und lösten keine so punktuellen Hypes aus.“
Weil vorwiegend junge Leute zwischen 15 und 30 Jahren für virale Masseneuphorie sorgen, wird diese Zielgruppe von Streamingdiensten mit passenden Geschichten immer öfter angesprochen. So waren die größten Hits der vergangenen Jahre neben True-Crime-Storys ausschließlich Serien über Teenies wie „Tote Mädchen lügen nicht“ oder „Stranger Things“.
Riesige Werbefläche
Mehrere Hundert Millionen Stunden wird eine erfolgreiche Produktion in den ersten Tagen nach der Veröffentlichung gestreamt. Das bedeutet auch für Modemarken eine unglaubliche Werbefläche. Designer reißen sich daher um Kooperationen wie jene mit den Stranger-Things-Machern, die etwa den verstaubten Achtzigerjahre-Labels Quicksilver und Jansport einen zweiten Frühling beschert haben.
Aber warum sehnen sich gerade Teenies so sehr nach modischen Stilvorbildern? „Jugendliche haben meist noch keine festen Rollenbilder, Mode schafft Zugehörigkeit und dient zur Wiedererkennung“, sagt der Experte. Das Ganze sei aber fluid und die Identifikation nicht auf eine Person oder Serie beschränkt. „Es bleibt einem selbst überlassen, mit wem man sich identifiziert. Es gibt heute viel mehr Diversität im Medienbereich als noch vor einigen Jahren.“
Zudem werden Serien schnell konsumiert. Die Trends, die eine Produktion setzt, sind von einer kurzen Halbwertszeit, weil sie im Handumdrehen von anderen verdrängt werden. Ein Trost für alle, die nicht viel mit Wednesdays Gruftie-Looks anfangen können.
Bridgerton
Machte Korsetts wieder hip. Ein Regency-Hype wurde entfacht (die Serie spielt in der britischen Regency-Ära von 1811 bis 1820), dem Stil um Perlenschmuck, Handschuhe und Empire-Kleider mehrere Artikel in der Vogue gewidmet.
Euphoria
Laut Google-Suche war der HBO-Hit eine der beliebtesten Inspirationsquellen für Make-up- und Mode-Looks im Jahr 2021 und 2022. Cassie, Kat und Jules bespielen den Stil der Neunziger- und Nullerjahre vom Girlie bis zum Skater-Style.
Stranger Things
Von Mode bis Musik beeinflusst die aktuelle Achtzigerjahre-Staffel Teenies in aller Welt und ist die meistgestreamte Serie auf Netflix (1,3 Milliarden Stunden gestreamt in den ersten 28 Tagen nach Veröffentlichung). Angesagt: Quicksilver-Windjacken, Bermuda Shorts, Jansport-Rucksack, Dauerwelle und kalifornischer Surfer- und Skater-Style.
Emily in Paris
Die Serie geht auch als Modeschau von Luxuslabels durch. Leistbare Stücke von Emily waren kurz nach Start der Serie restlos ausverkauft, wie ein neonfarbener Pulli von Essentiel Antwerp um 265 Euro (Foto oben) oder Oberteile und Röcke der Marke Dundas.
Wednesday
Nur knapp hinter Stranger Things in der 28-Tage-Hitliste gilt die junge Anti-Heldin als Stilvorbild mit dunklem Gothic-Stil. Die Kostümbildnerin setzte auf High-End-Marken wie Prada (Monolith Schuhe um 800 Euro) und Alaïa – Kopien davon gibt es bereits zu kaufen.
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