Chanel-Parfümeur Olivier Polge: "Es gibt viele Vorurteile über meinen Job"

Chanel-Parfümeur Olivier Polge: "Es gibt viele Vorurteile über meinen Job"
Eigentlich wollte Olivier Polge nie in die Fußstapfen seines Vaters treten, der als Parfumeur arbeitete. Heute ist er für sämtliche Düfte des Hauses Chanel verantwortlich.

Olivier Polge hat einen der zugleich faszinierendsten wie auch sagenumwobensten Jobs der Beautybranche. Der 46-Jährige ist Parfumeur – eine sogenannte Nase. Seit 2015 zeichnet er für die Düfte des Traditionshauses Chanel verantwortlich. Dessen Kultparfum N° 5 feiert heuer seine 100-jährige Erfolgsgeschichte. Für die nahm sich der charismatische Franzose Zeit für ein Gespräch über Gabrielle Chanels Mut zu neuen Wegen und die größten Vorurteile über seinen Beruf.

freizeit: Als Coco Chanel im Jahr 1921 ihr Parfum namens N° 5 vorstellte, galt es als revolutionär. Warum?

Olivier Polge: Man sagt, dass N° 5 das erste abstrakte Parfum war. Ihr Wunsch an den Parfumeur Ernest Beaux war, einen artifiziellen Duft zu kreieren. Künstlich im Sinne von nicht durchkomponiert – und schwer greifbar. Gabrielle Chanel wollte ein Arrangement aus Rosen und Jasmin. Beaux setzte zusätzlich Aldehyde (synthetische Duftstoffe mit sehr charakteristischem Geruch, Anm.) ein, die diesem Blumenbouquet viel Frische verliehen. Sie haben dem Duft das Abstrakte eingehaucht.

Auch der Flakon war für damalige Zeiten recht ungewöhnlich.

Ja, weil er sehr schlicht war. Ausgefallene Flakons mit viel Dekoration waren in Mode. Chanel hingegen entschied sich für etwas, das aussah, als ob es direkt aus dem Labor käme. Ich mag diese Idee sehr, denn dahinter lag die Intention, die ganze Kostbarkeit über den Inhalt zu transportieren.

N° 5 wurde schnell zum Bestseller, gehört bis heute zu den weltweit populärsten Parfums. Warum hat es gerade diese Kreation geschafft, über so lange Zeit relevant zu bleiben?

Dieser Duft hat etwas ganz Spezielles an sich. Der Reichtum dieses Parfums erlaubt es jeder Frau eine sehr persönliche Beziehung mit ihm aufzubauen. Jede kann sich mit einer anderen Facette des Duftes identifizieren.

Wie würden Sie die N° 5-Kundin beschreiben?

Ich stelle mir jemanden mit einer starken Persönlichkeit vor, der auf der Suche nach einem Duft mit Charakter ist. N° 5 ist jedenfalls sehr elegant und feminin. Wir versuchen, es möglichst ähnlich der Originalformulierung aus dem Jahr 1921 zu belassen. Und mit Neuinterpretationen wie „Eau Première“ oder „L’Eau“ auch neue Kundinnengruppen zu erreichen.

Ein so bekanntes Parfum wie dieses neu zu interpretieren ist eine Ehre, aber sicherlich auch eine Herausforderung.

Ja, es ist eine große Ehre. Wichtig ist, dass wir uns nie von der Erstversion trennen. Die Kombination der Rohstoffe ist sehr einprägsam. Es gibt dennoch Raum für Weiterentwicklungen.

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