Die Architektin des Lächelns

Die Architektin des Lächelns
Eine Österreicherin baut in den Slums von Mumbai Spielplätze für Inder.
Von Uwe Mauch

Es ist dieses fröhliche Lächeln der Kinder, das ansteckt. Wir sitzen im Wohnzimmer der Architektin, Designerin und Baumeisterin Martina Spies in Wien 13. Und es fällt ihr gar nicht auf: Auch sie lächelt oft.

Sie hat in gefeierten Architektur-Büros in Indien, Japan und Österreich gearbeitet. Sie hat bei spannenden Wohn- und Stadtentwicklungsprojekten mitgewirkt, sie hat an der Universität unterrichtet und schreibt derzeit ihre Dissertation. Doch das erzählt sie nur nebenbei.

Stadtblumen für Arme

Die Architektin des Lächelns
Wirklich erzählen möchte die 39-jährige Weltbürgerin aus Payerbach beim Semmering anderes: die Geschichte ihrer Stadtblumen.

Stadtblumen sind mobile Spielplätze für Kinder. Preisgünstig hergestellt, zum Teil aus Müll, nachhaltig auch, weil schnell auf engstem Raum aufgebaut. Sofort von den Kindern benützbar, und zur Not (wenn sich die Immobilienhaie ankündigen) ebenso schnell wieder abbaubar und anderswo einsetzbar.

Die erste Stadtblume wächst seit dem Vorjahr in Dharavi, dem größten Slum Asiens, mitten in Mumbai. "Dort wohnen die Menschen zu fünft, zu sechst in Hütten mit weniger als zehn Quadratmetern", berichtet Spies, die in dem Slum auch Studien angestellt hat. "Spielplätze für Kinder gibt es nicht. Die Buben dürfen sich wenigstens beim Cricket austoben. Ihre Schwestern müssen dagegen immer zu Hause bleiben."

Anukruti nennt die Stadtforscherin ihren Hilfsverein, den sie im Vorjahr gegründet hat. Anukruti bedeutet auf Hindi so viel wie kleine kreative Räume. Sie hat lange in Indien gelebt. Spricht die Sprache der Menschen, von denen viele heute ihre Freunde und Mitstreiter sind.

So schließt sich für Spies in Mumbai ein logischer Kreis: Ihr Vater, ein gelernter Maurer und Baumeister mit Indien-Faible, hilft beim Bau der Stadtblumen. Ihre indischen Freunde kundschaften die besten Brachflächen aus und stellen den freundschaftlichen Kontakt zu den Slumbewohnern her. Ihre indischen Kollegen helfen mit dem landesspezifischen Know-how. Junge Studenten sind Feuer und Flamme, weil sie auch praktisch anpacken dürfen. Und nun beginnt man sich auch in Österreich für Anukruti zu interessieren.

"Die Stadtblumen wollen wir in drei verschiedenen Ausführungen bauen", erklärt die gute Fee von Mumbai. Die kleine soll 2000 Euro kosten und bietet Sitzflächen samt Bücherregal, die mittlere für 4000 Euro ist zusätzlich mit einer Schaukel ausgestattet. In der großen, die für 6000 Euro machbar ist, kann eine ganze Schulklasse turnen oder auch unterrichtet werden.

Taschen für die Kinder

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Obwohl Spielplätze in Indien weitaus billiger sind als jene in Österreich, muss Martina Spies beim Finanzieren ihres Hilfsvereins kreativ sein: Sie gibt lokalen Ledertaschen-Produzenten konkret Arbeit, bietet die von ihr designten Taschen ihren Landsleuten in Österreich zum Kauf an, finanziert mit dem Erlös neue Stadtblumen, und zu guter Letzt dürfen auch die Spender lächeln.

Architektur mit humanitärer Verantwortung: Ähnlich wie Ärzte ohne Grenzen bemüht sich auch die weltweit aktive Hilfsorganisation Architektur ohne Grenzen seit vielen Jahren um eine tatkräftige Unterstützung jener Regionen der Welt, die weit entfernt vom westlichen Wohlstand und Lebensstandard sind. Die Österreich-Gruppe wurde erst im Vorjahr von der Architektin Gunda Maurer und der Kulturwissenschaftlerin Suzie Wong ins Leben gerufen. Doch der Zuspruch war sofort groß. Daher gibt es inzwischen schon zwei konkrete Hilfsprojekte, eines im Südsudan und das andere im Norden Amerikas, an der Beringstraße, in dem kleinen Dorf Kivalina in Alaska.

Im Vorfeld des internationalen Jahreskongresses lädt Architektur ohne Grenzen Austria am 25. April zu einem internationalen Kongress ins Architekturzentrum Wien. Der ist von 10 bis 22 Uhr öffentlich zugänglich (Eintritt frei). In Vorträgen sollen zahlreiche Projekte vorgestellt und diskutiert werden. Mehr Informationen unter: www.azw.at

Martina Spies lädt KURIER-Leser am 24. April bzw. am 9. Mai in die Pfarre Allerheiligste Dreifaltigkeit in 1100 Wien, Alxingergasse 2. Dort wird sie jeweils ab 19 Uhr über das Anukruti-Hilfsprojekt Auskunft geben und eine limitierte Handtaschen-Auswahl zum Kauf anbieten. Anmeldung bei ihrer Hilfsorganisation Anukruti per Mail oder telefonisch unter 0650 / 388 33 55.

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