Die vielen Facetten von Lust

Die vielen Facetten von Lust
Das Motto des heurigen Life Balls widmet sich der "Lust". Aber was ist das eigentlich?

Im Zentrum des heutigen Life Balls steht das Thema Lust: Im Pressetext zum Event steht: „Sie verbindet die Menschen weltweit, denn wir alle sind aus Lust entstanden – und wir alle empfinden Lust. Sie ist ein lebenslanger Begleiter. Sie kann mit sexuellen oder kulinarischen Freuden einhergehen; mit Selbstverwirklichung, Kreativität und Freiheit oder allgemein als Lebenslust in Erscheinung treten. Und wie der Life Ball mit seiner Gratwanderung zwischen „Fighting AIDS and Celebrating Life“ hat auch die Lust zwei Seiten: Sie kann zerstören, aber genauso kann sie beflügeln und die Menschen über ihre Grenzen hinauswachsen lassen. Sie kann nur dem Einzelnen dienen oder ein Gewinn für mehrere sein. In welcher Form auch immer: Sie ist der stärkste Antrieb des menschlichen Handelns, den es gibt.“

Kondome?

Jetzt könnte man natürlich dazu eine hübsche Geschichte zum Thema Kondome machen - als Torwächter der unkontrollierten Lust. Aber damit würde man den Begriff wieder nur auf die rein sexuelle Komponente reduzieren. Lust ist so viel mehr und so vielfältig - Lust kann, im besten Fall, eine wesentliche Facette eines erfüllten Lebens sein.

Was also kann „lustvolles Leben“ bedeuten? Lustvolles Leben ist viel mehr als das, was gemeinhin damit verbunden wird. Es ist, gemäß Epikurs Ethiklehre, vor allem die Erhöhung und Verstetigung von Lebensfreude. Täglich, jetzt, und hier und jeden Augenblick. Als Maximierung des von Horaz formulierten „Carpe diem“ - aber ohne sich in oberflächlichem Hedonismus zu verlieren, der letztendlich nur darauf abzielt, instinktiver Wunschbefriedigung zu dienen. Mag das zwar mitunter gut und schön sein, aber tagesfüllend ist das nicht. Leider wird der Begriff „Lust“ sehr häufig und ausschließlich mit Ausschweifung gleichgesetzt, mit oberflächlichem Rein Raus von Geschlechtsteilen, Essen und Trinken, Gedanken und Worten. Aber auch Askese – deren exaktes Gegenteil – kann Lust und Lebensfreude erzeugen, wenn das Bedürfnis danach einem inneren Sehnen entspringt und sich dieses Sehnen damit erfüllt.

Frisches Butterbrot

Lust kann groß sein – aber auch klein: Wer lustvoll lebt, braucht nicht zwingend eine ausschweifende Orgie, sondern einfach nur Gewahrsein. Etwa für den Moment, in dem man in ein Stück frisches Butterbrot beißt und den Geschmack mit allen Sinnen spürt. Vielleicht ist Lust – frei nach Pearl S. Buck – einfach nur Lebenskunst, die es ermöglicht, auch im Alltäglichen das Wunder zu sehen. Solche Wunder gibt sekündlich, minütlich – überall, vorausgesetzt, man öffnet sich dafür und hat Lust auf Lust. Doch leider, viele Menschen haben verlernt, ein Gespür für das Wundern und die Wunder zu entwickeln – viel chicer ist es, den Finger auf die Wunde des Fehlers zu legen, was nur dann sinnvoll ist, wenn man aufhört, an dieser Stelle zu verharren, zu bohren und zu glauben, man sei der Schmerz, der dieses Vorgehen erzeugt. Was vielleicht schön dazu passt – der Gedanke des Dichters Ernst Ferstl: „Der zwischenmenschliche Raum wird immer mehr mit Lustlosigkeit zubetoniert.“

An dieser Stelle erscheint es also geradezu als Pflicht, Kinder für Lust und Lebensfreude zu sensibilisieren, um sie dafür stark und bereit zu machen. Kinder von Anbeginn lustvoll zu erziehen, hat nichts damit zu tun, ihnen alles zu erlauben und kein Verbot auszusprechen. Lustbewusste Erziehung ist Erziehung zum Glück, bzw. zur Fähigkeit, Glück zu empfinden. Und das fängt schon damit an, dass man sich über bunte Schmetterlinge freuen kann, die über einer Sommerwiese flattert. So betrachtet ist Lust, die Fähigkeit, sich für Glücksmomente bereit zu halten. Und dass jeder Mensch darauf ein Anrecht hat, weiß etwa auch der Dalai Lama, der meint: „Wir sind dazu geschaffen, nach Glück zu streben. Und es steht außer Zweifel, dass Empfindungen wie Liebe, Zuneigung, Nähe und Mitgefühl glücklich machen.“

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