Licht für Afrika: Die großartige Frau im Rollstuhl

Auf ihr ruht viel Hoffnung: Toyin Janet Aderemi
Sie bekam erst mit 15 ihren ersten Rollstuhl – und konnte dennoch der Armut Nigerias entfliehen.
Von Uwe Mauch

Sie erzählt das nicht anklagend, sie beschönigt aber auch nichts in ihrer Heimat: „Ich habe mit 15 meinen ersten Rollstuhl bekommen und mit 36 den ersten Rollstuhl, der meiner Größe angepasst war.“ Toyin Janet Aderemi war die erste gehbehinderte Frau, die in Nigeria ein Pharmaziestudium erfolgreich abschließen konnte. Und sie gilt heute als eine Hoffnungsträgerin – in mehreren Ländern Afrikas.

Derzeit ist Aderemi in Wien, um bei der Zero Project-Konferenz in der UNO-City einen Vortrag zu halten. Heute wird ihr bei einer Gala von Licht für die Welt ein Preis verliehen. Zwischendurch erhielt der KURIER die Chance, eine beeindruckende Kämpferin für die Integration von Menschen mit Behinderung und der Gleichstellung der Frauen kennenzulernen.

Licht für Afrika: Die großartige Frau im Rollstuhl

Sie sagt, dass sie Glück in ihrem Leben gehabt hat. Ein eigener Rollstuhl für behinderte Menschen, das ist dort, wo sie geboren wurde, noch immer nicht Standard.

"In die Schule getragen"

Bis zu ihrem 15. Geburtstag konnte sie sich selbst nur kriechend fortbewegen. Dennoch hatte sie es besser als andere behinderte Kinder in Nigeria: „Ich habe sechs Geschwister, aber meine Eltern haben mich nie spüren lassen, dass ich weniger wert bin als meine Brüder und Schwestern.“ Im Gegenteil: „Meine Mutter hat mich jeden Tag auf ihrem Rücken in die Schule getragen. 25 Minuten hin – und 25 Minuten zurück.“

Kinder mit Behinderung werden in ihrer Heimat ständig vernachlässigt. Nicht, weil ihre Landsleute so herzlos sind, sondern deshalb, weil der Kampf ums Überleben immer auf Kosten der Schwächsten ausgetragen wird. Toyin Janet Aderemi macht deutlich: „Wer selbst nicht genug zum Essen und kein Dach über dem Kopf hat, tut sich sehr schwer, anderen Menschen zu helfen.“

Südafrika ist anders

Toyin Janet Aderemi gilt heute in Nigeria als anerkannte und engagierte Expertin in Sachen Public Health. Mit 36 erhielt sie die Chance, im südafrikanischen Durban eine entsprechende Ausbildung zu absolvieren. Südafrika bewertet sie als einziges Land auf dem afrikanischen Kontinent, das punkto Inklusion etwas mehr Geld in die Hand nimmt und die Betroffenen und deren Familien zu fördern versucht. „Das habe ich gleich bei meiner Ankunft festgestellt“, erinnert sich die Akademikerin. „Die haben sich meinen Rollstuhl angesehen und gesagt, dass der für mich viel zu groß ist.“ Schnell wurde für sie ein neuer, ein passender besorgt.

An der Universität ihrer Heimatstadt Ibadan, zwei Autostunden nördlich von Lagos, hat sie im Jahr 2002 ihren Master machen können. Seither tourt sie durch Afrika, um ihr Wissen weiterzugeben. So hat sie das Management der Universitätsklinik in Ibadan beraten, die NGO Handicap International beim Kampf gegen Aids in Äthiopien unterstützt, ebenso Licht für die Welt bei der Einführung von Schulungsprogrammen im Südsudan.

Licht für Afrika: Die großartige Frau im Rollstuhl

Menschen mit Behinderung zählen zu den Ärmsten Afrikas

Und es scheint so zu sein, dass sie mit ihrer ruhigen Art die Herzen der Menschen erreicht. Auf die Frage, wie viele Nigerianer so wie sie in einem Rollstuhl sitzen, antwortet sie gerade heraus: „Es gibt bei uns dazu keine amtlichen Zahlen.“ Auf die Frage, ob sich die Situation für Menschen mit Behinderung in Afrika seit ihrer Kindheit verbessert hat, sagt sie: „Ein wenig.“ Und dann: „Ehrlich gesagt, eigentlich kaum.“

Ein Dank an ihre Mutter

Sie werde nie vergessen, was ihre Mutter alles auf sich genommen hat. Sagt Toyin Janet Aderemi dann. Tag für Tag das Kind auf dem Rücken, was für eine persönliche Leistung! Dass sich diese gelohnt hat, ist nicht von der Hand zu weisen: Die nun in Wien Geehrte ist das beste Beispiel dafür, dass das Einbinden der vermeintlich Behinderten mehr bringt als sie am Boden kriechen zu lassen.

Bedanken möchte sich die Rollstuhlfahrerin auch bei der Jury der Her Abilities Awards: „Dieser Preis wird mir neue Kraft geben.“ Diese wird sie weiter benötigen.

Barrierefreier Abendevent

„Dance with me!“ So lautet das Motto des heutigen Abendevents bei der „Zero Project“-Konferenz. Veranstaltet wird sie von der NGOLicht für die Welt“. Als Höhepunkt des Abends ist die Verleihung der „Her Abilities Awards“ geplant. Preisträger sind unter anderem Toyin Janet Aderemi, und zwar in der Kategorie „Gesundheit und Bildung“ sowie ein spezielles
Trainingsprogramm für Behinderte in Kambodscha (siehe Foto).

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