"Legalisiertes Mobbing": Forscher wollen Völkerball verbieten

Völkerball ist im Schulunterricht ein beliebtes Spiel.
Im Turnunterricht gehört das Ballspiel seit vielen Jahren zum Standardprogramm. In Wissenschaftskreisen regt sich Protest dagegen.

Zwei Teams stehen sich im Turnsaal gegenüber. Die Spieler beider Mannschaften dürfen ihr Spielfeld nicht verlassen. Ziel ist, die Mitglieder der gegnerischen Gruppe mit einem Ball am Körper zu treffen, bis nur noch ein Spieler übrig ist.

Dieses Ballspiel-Setting kennt so gut wie jeder Erwachsene noch aus der Schulzeit. Seit Generationen wird "Völkerball", wie die Ballsportart genannt wird, in Österreich und anderen Ländern im Sportunterricht angeleitet.

Ehrgeiz vs. Angst

Die Meinungen über das Spiel gehen auseinander: Während die einen sich gerne an den brennenden Ehrgeiz während des Spiels erinnern, ruft die Angst vor dem abgeschossen werden bei anderen noch heute mitunter traumatische Erinnerungen hervor.

Dass Letzteres durchaus verbreitet ist, hat ein Forscherteam in Kanada nun mit einer Studie belegt. Für die Erhebung beschäftigten sich die Wissenschafter mit der Frage, wie Schüler das Spiel, das in Nordamerika unter dem Namen "Dodgeball" bekannt ist, wahrnehmen.

"Unterdrückendes" Spiel

Mit durchaus drastischem Ergebnis: Völkerball wirke "unterdrückend" und "entmenschlichend" heißt es. Vorgestellt wurde die Untersuchung kürzlich bei einem Kongress in Vancouver, wie die Washington Post schreibt.

Dodgeball erinnert stark an das hierzulande bekannte Völkerball. Allerdings befinden sich mehrere Bälle und weniger Spieler am Feld.

"Völkerball ist gleichzusetzen mit legalisiertem Mobbing", sagte Joy Butler, eine der Autorinnen der Studie, im Interview mit dem Sender CBC. Butler lehrt am Institut für Bildungswissenschaften an der University of British Columbia und fordert das Verbot des Ballspiels an Schulen.

Butler, die die Studienergebnisse am Kongress in Vancouver vorgestellt hat, zufolge würden viele Lehrer Völkerball als ungezwungene Vorbereitung auf "die reale Welt" ansehen. In Wahrheit sei das Spiel jedoch "gleichbedeutend mit legalisiertem Mobbing".

Im CBC-Interview erinnert sich Butler an den Fall einer Volksschülerin, die panisch ins hinterste Eck des Turnsaals rannte, um sich vor dem Ball in Sicherheit zu bringen. "Sie wird verfolgt", sagte Butler. Und weiter: "Was soll sie aus dieser Erfahrung lernen?"

Alternativen entwickeln

Butler ist überzeugt, dass das Spiel Kindern beibringe, ihren Klassenkameraden auszuweichen, anstatt sich mit ihnen zu beschäftigen. Der Sportunterricht "sollte ein Ort sein, wo Lehrer Schülern helfen, ihre Aggressionen zu kontrollieren (…), anstatt sich durch Wut auszudrücken", sagt die Expertin im Gespräch mit der Washington Post.

Es gebe alternative Aktivitäten für Pädagogen, "mit denen sie Kindern nicht beibringen, dass es in Ordnung ist, andere Menschen zu schikanieren".

Der Forscherin zufolge hätten sich bereits einige US-amerikanische Schulen gegen Völkerball im Lehrplan entscheide. Dieses Verbot gelte es auszubauen.

Die Studie soll demnächst im Fachjournal European Physical Education Review veröffentlich werden.

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