Islam: Was Gläubige zu Fundis macht
Gefährlich sind die Menschen mit den unumstößlichen Antworten. Fragende sind ungefährlich, sie töten nicht für ihre Sicht der Dinge – weder mit der Bibel, noch mit dem Schwert. In anderen Worten: Wenn eine Religion ihre Weisheit für die einzig richtige hält, nährt sie Fundamentalismus.
Diese Erkenntnis nahmen Dienstagabend Hunderte Besucher vom restlos ausgebuchten KURIER-Gespräch "Christentum und Islam" mit. Schon die 600 Anmeldungs-Anfragen zeigten: Das Thema interessiert, weil Tausende aus arabischen Ländern zu uns strömen. Martina Salomon, stv. Chefredakteurin und Moderatorin des Abends, brachte es im Einstieg auf den Punkt: "Die Menschen machen sich Gedanken, ob diese Ankömmlinge uns ihre Welt aufpressen werden."
Optimistischer sieht das Bildungsexperte Andreas Salcher. Er schrieb nun ein Buch über Kirche und Entwicklung der Religionen, seine These: "Ich sehe eine positive Entwicklung, langfristig werden sich die Aufklärer in den Religionen gegen die Fundamentalisten durchsetzen." Wegen der technologischen Evolution, der Stadtflucht, vor allem der jungen Ehrgeizigen, und wegen steigender Bildung.
Wissen und Macht
Bildung sei durchaus Teil des Problems, glaubt Alsan. "Auch die Fundamentalisten sind immer gut gebildet. Es kommt auf die Inhalte der Bildung an." An türkischen Unis werde die Lehre wieder konservativer. "Will man einen europäischen Islam, muss man Imame an österreichischen Universitäten ausbilden. Uns fehlen in der islamischen Theologie die Reformbewegungen." Denn die Machthaber in den islamischen Ländern haben kein Interesse an Reformen. Auf eine Publikumsfrage präzisiert Aslan: "Die Universitäten dieser Länder vermitteln oft ein Bild aus dem 8. Jahrhundert. Deshalb müssen sich die Muslime der Verantwortung stellen, dieses Bild zu reformieren." Ansätze dafür gibt es, denn auch wenn das Interesse an Theologie sinkt, sei die Lust auf Religion ungebrochen.
Umstrittener Wandel
Sein Ruf nach dieser Entwicklung bringt dem kritischen Islam-Professor allerdings Kritik von vielen in der muslimischen Gemeinde Österreichs (derzeit etwa 600.000 Menschen) ein. Auch weil er sagt: "Man kann von Muslimen einiges lernen, aber sicher nicht die Verbissenheit in der Religiosität." Er meint den Blick auf den Menschen hinter dem geschlossenen Islam-Bild. "Es werden oft nur die professionellen Muslime wahrgenommen. Man muss Muslime in der Vielfalt des alltäglichen Lebens wahrnehmen." Eine kritische Besucherin nennt das "schöne Theorie", im echten Leben würden Christen und Muslime nicht mit-, sondern nebeneinander leben. Aslans Replik: "Muslime müssen durch gute Werke, durch Taten, ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft definieren. Daran möchte ich Muslime und auch Christen erkennen. Nicht an den gottesdienstlichen Handlungen."
In einer Zeit, in der auch die katholische Kirche an ihrem Umgang mit den Flüchtlingen gewachsen ist und sich öffnete, bringt es Henckel-Donnersmarck so auf den Punkt: "Die Menschlichkeit an den Bahnhöfen, auch von kirchlichen Organisationen, sollten wir als Beispiel des menschlichen Zusammenseins verstehen."
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