KURIER-Familycoach: Barbie oder Auto?

KURIER-Familycoach: Barbie oder Auto?
Anerzogene Rollenbilder. Mädchen müssen nicht Prinzessin sein, Burschen nicht starker Indianer.

Tanja ist zehn Jahre alt und interessiert sich für Matchboxautos. Ihre Freundinnen schwärmen von den neuesten Barbies, Tanja borgt sich die Auto-Sammlung von Bruder Tim aus, wenn er nicht selbst damit spielt. Ihre Mutter schüttelt dann verdutzt den Kopf: "Du hast so viel Mädchenspielzeug, warum spielst du nur mit Tims Sachen?"

Eine Antwort darauf weiß Wolfgang Wagner, Psychologieprofessor der Uni Wien: "Wenn Kinder spielen, folgen sie meist spontanen Eingebungen. Das Interesse für bestimmte Spielsachen verändert sich von heute auf morgen." Dennoch gehen viele Eltern davon aus, dass Mädchen gerne zarte Prinzessinnen sind, die nur mit Puppen spielen. Burschen hingegen wollen starke Indianer sein, die keinen Schmerz kennen, und sich für schnelle Autos interessieren.

Emanzipation

Für diese Annahmen hat KURIER Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger eine Erklärung: "Früher gab es eine noch stärkere Unterscheidung der Rollenverteilung, da man davon ausging, dass Frauen körperlich schwächer sind als Männer." Diese Rollenmuster wurden durch die Verbreitung der Emanzipation aufgebrochen, jedoch nicht in gleichen Maßen. "Generell glaube ich, dass die Grenzen bei Mädchen offener sind als bei Burschen", meint der Familycoach. "Für Mädchen gibt es immerhin Informationstage in männerlastigen Bereichen wie Technik. Pädagogische und soziale Tage für Burschen findet man allerdings kaum bis nie."

Solche Rollenbilder werden dadurch bestärkt, wie sich Eltern verhalten und was sie ihren Kindern kaufen, geschlechtsspezifisches Spielzeug etwa. Leibovici-Mühlberger: "Gebe ich meinem Sohn das Gefühl, nur wenn er immer und überall hart im Nehmen ist, wird später etwas aus ihm, entsteht natürlich der Eindruck, dass nur dieses Verhalten mit Männlichkeit in Verbindung gebracht werden kann." In diesem Bereich der Erziehung spielt die Vorbildwirkung der Eltern eine besonders wichtige Rolle. "Ich kann Eltern nur raten, es mit der geschlechtsspezifischen Erziehung nicht zu übertreiben." Zuerst sollte reflektiert werden, was "Mann sein" und "Frau sein" für einen Elternteil persönlich bedeuten.

Neurobiologie

Einige Interessen und Anlagen lassen sich medizinisch erklären. Die Neurobiologie des Menschen zeigt, dass Burschen wegen des höheren Testosterons besonders viel Bestätigung suchen. Mädchen lassen häufiger ihren Emotionen freien Lauf und übernehmen oft früh eine umsorgende Rolle, etwa für kleinere Geschwister. Psychologe Wolfgang Wagner betont aber die Individualität: "Es darf die Tatsache nicht übergangen werden, dass ein Kind zu Beginn seiner Entwicklung wie ein unbeschriebenes Blatt ist, das eben auch seine eigenen Interessen mitbringt."


Gerade in der schnelllebigen Zeit von heute passen diese "geschlechtstypischen Interessen" nicht für jeden Menschen, es ist sogar ein hohes Maß an Individualität gefragt. Dazu sagt KURIER Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger: "Fürsorgliche alleinerziehende Väter machen ihren Job bestimmt genauso gut wie alleinerziehende Mütter – mit dem einzigen Unterschied, dass sie manches anders angehen." Darunter leidet aber nicht zwangsläufig die Qualität der Erziehung. Der wichtigste Tipp der Expertin: "Eltern sollten sich nicht an der Gesellschaft orientieren, sondern die Sensibilität für ihr Kind und dessen Eigenschaften aufrechterhalten."

KURIER-Familycoach-Telefonsprechstunde: Montag, 13 bis 15 Uhr, 01/526 57 60

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