Königsdisziplin

Königsdisziplin
Schachspieler trainieren täglich ihr Gehirn.
Von Uwe Mauch

Schachmatt in der U-Bahn-Station! Das ist kein Hirngespinst, auch nicht der Titel eines neuen Tatort-Krimis aus Wien, sondern Realität beim Austria Wiener Linien Open im Forum Volkstheater, einem unterirdischen Veranstaltungssaal in der gleichnamigen U-Bahn-Station.

25 Schachbretter sind vorbereitet. Punkt 18 Uhr treten 50 Spieler zum Duell an. Mann gegen Mann. Nur an einem einzigen Brett heißt es: Mann gegen Frau.

Bauer auf d4!

Egal, ob Mann oder die eine Frau, Jung oder Alt, Dick oder Dünn. Spätestens um 18.10 Uhr sind alle Schachspieler in ihre Welt abgetaucht. Zig Züge werden bis zum Spielende um 22 Uhr unter ihren Füßen fahren, sie werden es nicht bemerken. Sind sie doch mit ihren Gedanken bei ihren eigenen Zügen.

„Schach gilt zu Recht als eine Sportart“, sagt Werner Schweitzer, selbst ein sehr guter Spieler und Mentaltrainer für das österreichische Damen- und Herren-Nationalteam. „Die Spieler sitzen bis zu sechs Stunden an einem Brett und müssen versuchen, nicht ihre Konzentration zu verlieren.“ Die große Kunst sei es, in Schlüsselszenen das Aufmerksamkeitsniveau zu erhöhen.

Harald Schneider-Zinner, ein Lehrer, der sich vor Jahren als Schachtrainer in Wien selbstständig gemacht hat, vergleicht die Leistung eines sechsstündigen Schachspiels mit einem 90-minütigen Fußballspiel. Deshalb verwundert es auch nicht, dass es heute kaum noch körperlich füllige Großmeister gibt.

Schach ist auch als Breitensport gut geeignet, betont Johann Pöcksteiner, Vizepräsident im Österreichischen Schachbund. Das Spiel ist auch nicht mit hohen Kosten verbunden.

Studien belegen, dass Schach zum einen die geistige Entwicklung von Jugendlichen fördert und zum anderen den Alterungsprozess des Gehirns im reiferen Alter verzögern kann.

Inzwischen werden in der U-Bahn-Station Bauernopfer erbracht, Pferde abgetauscht, Läufer und Türme in Stellung geschoben. Und eine Dame auf c3 bedroht bereits heftig den König. „Man muss im Gehirn über weite Strecken flexibel bleiben“, sagt Mentalcoach Schweitzer. Was für die Kiebitze nicht sichtbar ist, spielt sich in den Gehirnstübchen ab. Alle Optionen müssen auf mehrere Züge im Voraus durchgespielt werden, um sich am Ende für den einen, den hoffentlich richtigen Zug zu entscheiden. Gehirnforscher haben festgestellt, dass durch regelmäßiges Schachspielen bestehende Nervenbahnen verbreitert und neue Verbindungen gelegt werden. Vize Pöcksteiner: „Ich habe beim Schach noch keinen Demenzkranken kennengelernt.“

Rund 10.000 Schachspieler nehmen an Meisterschaften teil. Jeder zehnte Österreicher kennt die Regeln. Zufrieden zeigt sich Johann Pöcksteiner über eine Kooperation mit dem Bildungsministerium. Am Ende heißt es an allen Brettern im Forum Volkstheater: Schach matt! Bevor die letzte U-Bahn fährt.

Morgen: Was es bringt, auch imhohen Alter Sprachen zu lernen.Jede Menge Denksport: kurier.at/raetselspass

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