Warum für Klein-Stefan Großeltern und Verwandte ein Fremdwort war
Stell dir vor, du kommst in die Volksschule und erfährst dort erstmals, dass es (andere) Kinder gibt, die Großeltern, Onkeln, Tanten haben. Für dich ist das völlig fremd. So erging`s Stefan Horvath als er sieben Jahre war. Sowohl aus der Familie seiner Mutter als auch der seines Vaters waren die beiden die jeweils einzigen, die überlebt haben. Alle anderen Familienmitglieder wurden ermordet. Getötet in Konzentrationslager, weil sie Roma waren.
Mit Müh und Not durfte er in die Hauptschule
Und weil er dieser Volksgruppe angehört, war`s für den im November 1949 Geborenen aus der Roma-Siedlung bei Oberwart auch ziemlich schwer, nach der Volks- in die Hauptschule zu wechseln. Deren Direktor wollte ihn nicht, doch der Bub schaffte die Aufnahmsprüfung. Und trotz all dieser Diskriminierungen, Zurücksetzungen, Benachteiligungen war er sich der Geschichte seiner Volksgruppe gar nicht so besonders bewusst, erzählt er kürzlich zwei vierten Klassen der Kooperativen Mittelschule am Wiener Rennbahnweg (Wien-Donaustadt). Das änderte sich brutal im Februar 1995.
Ein Riesenknall vom Rade der Siedlung war nächtens zu hören, vier Männer gehen nachschauen, finden eine Tafel, auf der sie zum Verschwinden aufgefordert werden, sie wollen die Provokation entfernen, eine Rohrbombe explodiert, die vier werden getötet. Einer der Ermordeten ist Karl Horvath, Stefans Sohn. Der Vater beginnt sich mit der Geschichte der Verfolgung seines Volkes zu beschäftigen, geht neben seinen Berufen – erst in Wien, dann im Burgenland im Krankenhaus – in Schulen, um aufzuklären, fängt an zu schreiben, verfasst Gedichte.
Trotz Verfolgung haben manche geholfen
War die Verfolgung von Roma für die Jugendlichen dieser Wiener Schule für die meisten etwas von dem sie zuvor noch nie gehört hatte, so war ihnen diese Tatsache für eine andere Gruppe, die vom Nazi-Regime verfolgt und ermordet wurden bekannt, bewusst. Doch auch da war so manches der Details, die ein weiterer Zeitzeuge an diesem Vormittag schilderte, neu, ungeheuerlich. Walter Fantl-Brumlik, heute 88 Jahre, musste seine Schule verlassen, die Familie verlor das Geschäft und das Haus, nur weil sie Juden waren. Konnte er anfangs noch in Wien überleben, weil er handwerklich geschickt – zynisch genug – in Wohnungen, die anderen Jüdinnen und Jugend weggenommen wurden, dinge reparieren konnte, so landete er wie Millionen anderer Angehöriger seines Glaubens in diversen Konzentrationslagern. Mit glück, so schildert er, konnte er überleben. „Weil mir immer wieder Leute geholfen haben, drum hab ich auch keinen Hass", beantwortet er die nahe liegende Frage von eines Schülers in der 4b.
Berührender Dank einer 14-jährigen Schülerin
Als "Dankeschön" für die traurigen, berührenden Erzählungen der beiden Zeitzeugen, präsentierte die 14-jährige Schülerin Nila Forutan ihre Gedanken zu einem Film, den die Klasse gesehen hatte. In "Hasenjagd" wird die Verfolgung von Flüchltingen aus einem Konzentrationslager nicht nur durch Nazi-Einheiten und Militärs, sondern auch durch "normale" Bevölkerung - und das in den letzten Kriegsmonaten 1945 - geschildert. Hier Forutans Rede:
Hasenjagd
Ich machte mir Gedanken über den Film ,,Hasenjagd". Menschen wurden einfach abgeschossen, obwohl das Leben eines Menschen das wertvollste ist. Für die Täter war es wie eine Hasenjagd.
Als ich mich noch trauriger fühlte, ist mir plötzlich ein Gedanke gekommen: Gott sei Dank, das ist jetzt Vergangenheit und ich hoffe, dass das nicht mehr passiert. Wenn man aber zurückdenkt, dann weiß man, wie schwer das Leben damals war.
Ich habe mir während des Filmes auch gedacht: Ich muss Gott dafür dankbar sein, dass ich weder Täter noch Opfer war. Ich habe vor allen Religionen und Menschen Respekt.
Und es war sehr schön, dass es damals doch Leute wie Fredl und Mitzi gegeben hat, die mutig waren und geholfen haben.
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