Von Sophie Scholl bis zum Hier & Jetzt

SOPHIE SCHOLL: EIN PROZESS, Theater Spielraum
Sehr junge Theaterleute (14 bis 25) zeigen sehr spannende, berührende Szenen in "Sophie Scholl: Ein Prozess" im Wiener Theater Spielraum.

Eineinhalb Stunden packt dich das Stück „ Sophie Scholl: Ein Prozess“, obwohl du die Grundgeschichte kennst. Berührt dich, lässt dich nicht los, manchmal stockt dir der Atem. Großartig. Und obwohl die elf jungen Schauspielerinnen und Schauspieler aus ihren Rollen schlüpfen, fällt das Klatschen gar nicht so leicht. Klar, verdient jedenfalls. Aber am liebsten möchtest du ruhig nach- und ausklingen lassen.

Jung und souverän

Von Sophie Scholl bis zum Hier & Jetzt
SOPHIE SCHOLL: EIN PROZESS, Theater Spielraum

Die 14- bis 25-Jährigen erzählen in der Regie eines 16-Jährigen (nicht sein ersten Stück übrigens) in vielen kurzen Szenen die Geschichte der Geschwister Sophie und Hans Scholl der bekannten Widerstandsgruppe gegen das Naziregime „Weiße Rose“. Von der anfänglichen Befürwortung des Regimes über die bekannte Flugblattaktion in der Uni bis hin zum Prozess, die Todeszelle samt Verabschiedung von den Eltern und letzte überlieferte Worte. Selbst die vielleicht schwierigst zu spielende Rolle, die des „Volksgerichtshofs“-Chefs Roland Freisler, der die Todesurteile über die jungen Widerstandskämpfer in kalter, obendrein zynischer Manier verhängte, wurde souverän gemeistert.

Hier und jetzt!

Von Sophie Scholl bis zum Hier & Jetzt
SOPHIE SCHOLL: EIN PROZESS, Theater Spielraum

Unterbrochen werden die Szenen zum einen von chorisch vorgetragenen Versen. Und andererseits von Bezügen zur Gegenwart – von zwei Stimmen aus dem Hier und Jetzt. Denn, so die beklagte Eingangsthese: Erst der Blick zurück in die Vergangenheit würde vielleicht so manche Ungeheuerlichkeit der Gegenwart als solche – oder auch als einen von vielen Anfängen, denen zu wehren gelte – erkennbar machen? Als Blitzlichter wurden szenisch dargestellt oder genannt: Gewalttätiges Mobbing, Tritte für Menschenrechte bis hin zu Morden an unliebsamen Journalist_innen am Beispiel von Anna Politkowskaya, die nicht zuletzt nach schonungslos offener, wahrheitsgemäßer Berichterstattung über den Krieg Russlands in Tschetschenien in Moskau ermordet wurde.

85 zu 3500,000.000

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SOPHIE SCHOLL: EIN PROZESS, Theater Spielraum

Die Hier- und Jetzt-Unterbrecherinnen zitierten auch aus Stephane Hessels „Empört euch!“ über die Ungleichheit zwischen arm und reich, die noch nie zuvor in der Geschichte so groß war. Erst dieser Tage wurde ja eine Studie veröffentlicht, die nachweist, dass die 85 (!) reichsten Menschen so viel besitzen wie die ärmste Hälfte der gesamten Weltbevölkerung! Die große Empörung darüber blieb – bislang(?) - leider noch aus. Momente, wo du dich gedanklich selbst an der Nase packst: „Sollte, müsste ich da nicht mehr oder überhaupt was tun?“

Uniform? Rolle? Jede/r?

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SOPHIE SCHOLL: EIN PROZESS, Theater Spielraum

Alle Darstellerinnen und Darsteller spielen in weißen dünnen Schutzanzügen, wie sie in Labors – und in Krimis die Spurensicherungsleute tragen. Das soll, so die aus zehn Jugendlichen und einer ausgebildeten jungen Erwachsenen bestehende Gruppe, „deutlich machen, dass wir nur Rollen spielen“. Die einheitlichen weißen Anzüge vermitteln aber natürlich auch sofort Uniformität. Auch Sophie und Hans Scholl waren ja – was viele gar nicht wissen – anfangs – im Gegensatz zu ihren Eltern – feste Anhänger Hitlers. Die uniformen Anzüge lassen aber auch den Gedanken aufkeimen, könnte nicht jede oder jeder Opfer, aber vielleicht leider auch Täterin oder Täter sein/werden/gewesen sein können?

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SOPHIE SCHOLL: EIN PROZESS, Theater Spielraum

Sophie Scholl: Ein Prozess

Sophie Scholl: Flora Pálffy

Hans Scholl Robert Mohr: Matti Melchinger Christoph Probst/ Anton Mahler/ Rechtsanwalt Klein/ R. Scholl (Vater): Florian Eder Dr. Roland Freisler: Maximilian Schranz Gisela Schertlich/ Eine Hier und Jetzt- Moderation: Angela Walker Andere Hier und Jetzt- Moderation: Carina Luif

M. Scholl (Mutter), Chor: Fanni Schneider Mobbingopfer, Chor: Tara Ewers Gestapo Beamter, Chor: Florentin Huemer

Weiteres imSprech-Chor: Veronika Vicek, Lena Aschauer

Regie: Matti Melchinger Assistenz: Carina Luif Technische Leitung: Andreas Ladik

Bis 24. Jänner

Theater Spielraum 1070 Wien, Kaiserstraße 46 Telefon: (01) 713 04 60 60office@theaterspielraum.atwww.theaterspielraum.at/

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