Von Kofferpacken und Super-Migrant_innen
Ein halbes Dutzend Jugendliche auf dem Platz einer Ecke des Wiener Yppenmarktes in Ottakring. Im Hintergrund eine bunte Fassade. Davor bunt gekleidete, bunt gemixte Kids. Ein Koffer. Anklingend an das Kinderspiel „ich packe meinen Koffer" kommt die Rede von Trainingssachen, Schuhen und Lippenstift auf Heftigeres - „Heimweh nach meiner Familie, die ich nicht besuchen kann wegen der Regierung und diesem Präsidentenschwein". Oder aber auch „meine Tränen, die fließen, weil Nachbarn uns beschimpfen", „den ganzen Fremdenhass, die Vorurteile und Beschimpfungen..." Letzteres führt zum Ausruf: „Doch diesen Koffer zu tragen, macht keinen Spaß!"
Neu packen, aber...
Drum beschließen sie, all das grausliche Zeugs raus zu werfen und einen gemeinsamen Koffer neu zu packen, „wir werfen all die Sachen raus, die wir nicht mehr wollen, die uns am Leben hindern und nicht unsere Schmerzen lindern..."
Doch trotz aller Anstrengungen, Freude und Erinnerungen an Freunde einzupacken, bricht die erlebte Realität schon hier - „ich habe kein Geld, keinen Pass. Scheiß-Leben, Scheiß-Traum und wo ist das Lächeln" wieder durch. Erst recht bei weiteren Stationen des Stücks „Sag mir, wer ich bin". Dieses entstand im Rahmen des österreichweiten Projekts Macht.Schule.Theater.
Texte und Schauspiel: Alles Jugendliche
16 Jugendliche erarbeiteten Texte. Mehr als im Stück Platz haben, das von einem Dutzend Jugendlichen rund um den Markt gespielt wird. In Hinterhöfen und auf Podests, zwischen Verkaufsständen, vor dem Müllsammelplatz und vor dem Spielplatz werden Behandlung als Migrant_innen, das Leben zwischen zwei oder gar mehr Welten, aber schlichtweg auch Fragen, die Jugendliche generell stark berühren wie etwa Freundschaft in Szene gesetzt.
Supermigrant_innen
Obwohl kabarettistisch überhöht, schwingt bei einer sehr gelungene Szene die Sorge mit, sie könnte vielleicht gar eines Tages zum realen TV-Format werden: Natascha Berger, Sammy Hassan, Roxana Rahnama, Lilian Grof und Tim Litschel spielen eine freakige „Supermigranten"-Show. „das neue Castingformat,... superultra coole Mischung... mit Mandelaugen frisch vom Bazar schau ich aus wie die kleine Schwester von Nazar... weltberühmtes kochrezept für die Supermigrantin: Man nehme 5 Liter rotes Zigeunerblut väterlicherseits, gut vermischt mit Hass & Wut auf LePen, Sarkozy und wie sie alle heißen, die Chansons singend Familien zerreissen. Dazu ungarischen Pfeffer von der Mutter, der Würze wegen, das ganze dann in österreichischem Bier einlegen, es sich voll saugen lassen mit Gulasch, Kartentricks und Bauernweisheiten... Verwenden Sie Weißprint und ihre Sorgen sind wie weggebleicht..."
by, bye, racism
Aus der Ausgrenzung folgende Probleme der dauernden Ablehung, Abwertung, fallweisen Auszuckens usw. oder auch des Hin- und Hergerissen-Seins, des hier und dort als „fremd" abgestempelt zu werden ziehen sich durch die Stationen. Und immer wieder die angespielte, an- und vor allem beim Rap vor der „Problemstoff-Sammelstelle" ausgesprochene Frage: „Ist es wichtig, woher wir kommen? Viel wichtiger ist, wer wir sind. Viel wichtiger ist, was wir tun, dann macht das Leben wieder Sinn!" Und im Schlusssong – dann in der Brunnenpassage: „... du und ich... wir kennen uns nicht, doch wir haben viel gemeinsam... hol mal tief Luft, ich geb `nen Abschiedskuss, bye, bye racism, plötzlich ist sie rein die Luft..."
Infos
„Sag mir, wer ich bin!"Ein Stationentheater rund um die Brunnenpassage im Rahmen von MACHT | SCHULE | THEATEREine Produktion von TheaterFOXFIRE
TEAMRegie und Konzept: Corinne EckensteinSchreibwerkstatt Leitung: Yasmin Hafedh und MC VistaProduktion und Dramaturgie: Anna SonntagAssistenz: Roxana Rahnama
Es spielen:Natascha Berger, Adil Embaby, Ezgi Erol, Lilian Grof, Sammy Hassan, Egzon Jsaki, Simona Lip, Nicola Lip, Tim Litschel, Yu Lei, Roxana Rahnama, Meghdad Roustaei.
Texte von:Natascha Berger, Isabella Campestrini, Adil Embaby, Ezgi Erol, Lilian Grof, Sammy Hassan, Egzon Jsaki, Albin Kurtisi, Simona Lip, Nicola Lip, Tim Litschel, Yu Lei, Sonay Mert, David Oshijo, Roxana Rahnama, Meghdad Roustaei
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