Uralt, aber leider (noch immer) aktuell

Uralt, aber leider (noch immer) aktuell
"Höllentrip. Ka Hetz bis ans End!" - eine Text-Musik-,Tanz-Gesangs-Collage zum Thema Flucht von Theater Iskra in der Wiener Brunnenpassage.

Flucht – trotz aller (Lebens-)Gefahren - übers Mittelmeer. Was vielen natürlich zurecht wie aktuelle Meldungen vorkommt, ist so neu nicht unbedingt. Schon vor 2500 Jahren hat sich ähnliches abgespielt. Der griechische Dichter Aischylos lässt in „Die Schutzflehenden“ einen Frauen-Chor Zeus anbeten, er möge ihnen doch gnädig sein: Zeus, Flüchtlingshort,/Schau gnädig herab auf unseren Zug,.../Rastlos zu entfliehn durch die wogende See/Und zu landen am Argosstrande...

Aug in Aug

Uralt, aber leider (noch immer) aktuell
Mit ähnlichen Zeilen beginnt „Höllentrip. Ka hetz bis ans End!“, das Mitte Dezember in der Wiener Brunnenpassage Premiere feiert(e). Das Stück von Theater Iskra (Russisch für Funke) ist ein Mix aus Schauspiel, Gesang, Tanz und Musik. Die drei männlichen Protagonisten haben Fluchterfahrung (Afghanistan und Iran). Zehn Frauen agieren als Chor – unter anderem mit einem heftigen „Matrosenlied“, für das Erke Duit die Musik in genau diesem Stil schrieb. Der bekannte Autor Heinz R. Unger hatte den Text „Cap Anamur“ verfasst, den der Augustin-Chor „Gegenstimmen“ zuerst gesungen hat. „Cap Aamur“, ein in Deutschland gegründeter Verein, der fast weltweit Hilfsprojekte zur Rettung von Menschenleben durchführt, hatte Ende der 70er-Jahre begonnen vietnamesische Boat-People aus dem südchinesischen Meer zu fischen. Bei späteren Einsätzen wurden die Lebensretter der Schlepperei angeklagt. Genauso drastisch der Text mit Passagen, wo die „Matrosen“ den in den Fluten um ihr Leben kämpfenden Menschen direkt ins Auge sehen, und doch nicht alle retten (können).

Collage

Uralt, aber leider (noch immer) aktuell
Für das Stück griff Regisseurin Nika Sommeregger aber nicht nur auf Aischylos zurück. Sie formte eine organische Collage aus
* den besagten „Schutzflehenden“
* Maxim Gorkis Nachtasyl (in dem erniedrigte, gestrandete Menschen Zuflucht finden und ein guter Mensch namens Luka eine wichtige Rolle spielt)
* Bert Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“, in dem es unter anderem heißt:
Was sind das für Zeiten, wo/Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist/Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!/Der dort ruhig über die Straße geht/Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde/Die in Not sind?/ .... Dabei wissen wir ja:/Auch der Haß gegen die Niedrigkeit/Verzerrt die Züge./Auch der Zorn über das Unrecht/Macht die Stimme heiser. Ach, wir/Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit/Konnten selber nicht freundlich sein./.... Ihr aber, wenn es soweit sein wird/Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist/Gedenkt unsrer/Mit Nachsicht.
* Rafik Schami – Eine Hand voller Sterne in dem der Autor – vor 20 Jahren – das autoritäre Regime in Syrien in die Geschichte eines Jugendlichen verpackt, der Journalist werden will und wie er die Zensur zu umgehen versucht.

Mitten ins Herz

Uralt, aber leider (noch immer) aktuell
Und obwohl diese unterschiedlichen Texte zum Teil ja uralt sind, werden sie in diesem Stück von den Protagonist_innen zu – leider nach wie vor - aktuellem Leben am Rande zwischen Tod und (Über-)Leben erweckt. Auch so berührend und hautnah – mitunter sogar durch die Distanz der weißgekleideten Chorsängerinnen – dass sie – trotz der Intellektualität der Texte - mitten ins Herz zielen – und treffen.

Dabei helfen sicher auch die feinen Klänge auf dem persischen Saiteninstrument Santur, vor allem aber auch die grazilen und doch teils akrobatischen Tanzbewegungen, insbesondere in der Passage um den „Regenbogenvogel“, der sich schmerzhaft und blutig aus der Gefangenschaft eins goldenen Ringes befreit, „nur“ um frei fliegen zu können.

Uralt, aber leider (noch immer) aktuell
HÖLLENTRIP. Ka Hetz bis ans End!
Theater ISKRA in Zusammenarbeit mit Brunnenpassage

Die Aufführung ist mehrsprachig: deutsch, russisch, dari und farsi

Regie & Dramaturgie: Nika Sommeregger
Schauspiel/Tanz: Alireza Daryanavard, Hamayun Mohammed Eisa, Javid Hakim
Gesang/Chor: Andrea Birbaumer, Anja Danneberg, Katharina Danneberg, Irmi Egger, Ulla Erben, Eva Kindermann-Glebowski, Martina Knopp, Nima Obaro, Elisabeth Schwaiger, Christa Schmid

Lieder:
Der grimmig Tod: Text: Balthasar Bidembach/Petrus Frank
Musik "pavierton" , 1525 , Satz: Frank London :
Matrosenlied: Text: Heinz Unger, Musik: Erke Duit
Bilečanka: slowenischer Text und Satz:: Mila Apih
(original: Partisanenlied aus der Herzegovina)

Licht: Bert Schifferdecker

Wann & wo?
16. Jänner 2016, 19.30 Uhr
KunstSozialRaum Brunnenpassage
1160, Brunnengasse 71/Yppenplatz
Telefon: (01) 890 60 41
www.brunnenpassage.at

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