Reisen müssen ist nicht grad lustig

Der Kreisel: Immer wieder sich drehen, doch nicht von der Stelle kommen und doch ändert sich was - zumindest der Blickwinkel
"Warum das Kind in der Polenta kocht" - über ein Zirkuskind auf der Flucht - im Dschungel Wien.

Ein heftiger Titel. Eine heftige Geschichte. Ein Mix aus Tatsachen – poetisch aufbereitet und viel Phantasie – mit auch in der Realität schönen Momenten. All das – und in dem Fall noch einiges mehr, nämlich Musik – ist „Warum das Kind in der Polenta kocht“.

Drei Schauspielerinnen und zwei Musikerinnen – wobei alle fünf zeitweise auch die anderen Künste ausüben – spielen und erzählen einige der wichtigsten Stationen der Aglaja Veteranyi. Immer wieder schlüpft eine andere in deren Rolle, unter anderem die erst zehnjährige Sarah Bahmou – ein gelungener Kunstgriff, weil ja die gesamte Geschichte aus der Sicht des jungen Mädchens betrachtet wird.

Echte Geschichte

Reisen müssen ist nicht grad lustig

Veteranyi hat wirklich gelebt. Anfang der 60er Jahre wurde sie im rumänischen Bukarest in eine Zirkusfamilie geboren. Die Familie flüchtete als Aglaja noch ein Kind war. Nach vielen Stationen landete sie und ihre Schwester in einem Schweizer Internat. Durchs viele Umherziehen war sie zuvor praktisch nie in einer Schule gewesen, weshalb sie bis dahin nie schreiben gelernt hatte. Dafür viele lebenspraktische Dinge – und mehrere Sprachen. Mit nicht ganz 40 Jahren veröffentlichte sie den tagebuchartigen Roman – aus der Sicht als sie jung und auf der Flucht war. Der Titel ergibt sich aus einer der Geschichten, die Aglaja immer wieder von der Schwester hört. Wenn sie sich nämlich vorstellt, wie arg es für das Kind der Geschichte sein muss, in Polenta zu kochen, vergisst sie die Angst um ihre Mutter, wenn diese an den Haaren aufgehängt in der Zirkuskuppel hängt und ihre Kunststücke vollführt.

Flüchtlingsdasein

Reisen müssen ist nicht grad lustig

Über ihre konkrete Lebensgeschichte hinaus hat Veteranyis Buch allgemeine Gültigkeit für viel, die flüchten müssen, ständig Grenzen, Behörden … usw. ausgesetzt sind. Und wie Kinder darüber philosophieren mit Fragen: Ob Gott auch Ausländer versteht. Dass es im Himmel besser ist, weil da beim Reisen kein Pass benötigt wird. Dass Hühner beim Abschlachten immer gleich klingen, egal in welchem Land. Dass es im Zirkuswohnwagen ein Stück nach Heimat riecht, insbesondere wenn Mama kocht was sie auch zu Hause gekocht hat...

Musik

Reisen müssen ist nicht grad lustig

All diese vielfältigen nicht gerade immer leichten, angenehmen Gefühle und Stimmungen transportiert in dieser Version des Stücks (von dem es schon etliche gibt) vor allem die Musik. Neben klassischen Instrumenten wie Cello, Geige, Bratsche oder Akkordeon agieren die Spielerinnen auch mit eigens dafür gebauten wie einer Stockgeige oder einem großen Propeller, der zentral auf der Bühne steht und immer wieder angeworfen wird. Jelena Popržan komponierte die Musik und einige Lieder – die immer wieder in Form eines Chors als Art Kommentar zur Lage in die Inszenierung eingebaut sind.

Abgesehen davon, dass die Gruppe makemake oft Musiktheaterstücke produziert, passt dieses tragende, durchgängige Element für das „Polentakind“ besonders, weil schon Veteranyis Tagebuchroman nicht nur poetisch, fantasievoll das harte ständige Leben auch Achse schildert, sondern auch sprachlich stark rhythmisch geschrieben ist.

Reisen müssen ist nicht grad lustig

Schon mit ihrem Kindergarten hat sie viele Theaterstücke – aufgrund der räumlichen Nähe – im Dschungel Wien gesehen. „Und da hab ich mir schon so ungefähr mit vier vorgestellt, dass es toll sein muss, auf der Bühne selber zu spielen“, erzählt Sarah Bahmou dem Kinder-KURIER. In der Volksschule spielte sie dann manches Mal. Gegen Ende der Volksschulzeit nahm Bahmou in Semesterferien an einer Workshopwoche „der Hundsturm bellt“ teil, bei der unter Leitung von Sara Ostertag ein Teil der Umgebung im fünften Wiener Gemeindebezirk erforscht wurde. Die Recherche-Ergebnisse wurden in kreativen unter anderem theatralen Workshops verarbeitet. „Das hat mir sehr gefallen und als Sara mich dann im Herbst angerufen hat, ob ich bei einem richtigen Stück mitmachen will, hab ich gleich freudig ja gesagt.“

Danach hat sie, die mittlerweile die erste Klasse des Gymnasiums Albertgasse und dort auch die unverbindliche Übung Darstellendes Spiel besucht, das Buch gelesen. „Das war schon heftig und oft traurig. Es war aber dann leichter, als wir gemeinsam geprobt und daraus Szenen gemacht haben.“ Die Proben seien „schon ganz schön anstrengend gewesen, haben aber auch Spaß gemacht“: Vor der ersten Vorstellung mit Publikum „war ich schon sehr, sehr nervös, aber ab den weiteren Vorstellungen war ich dann nicht mehr so angespannt.“

Reisen müssen ist nicht grad lustig

Warum das Kind in der Polenta kochtmakemake produktionenMusiktheater, ca. 90 Minuten, ab 11 Jahren

Textfassung nach Aglaja Veteranyi: Sara Ostertag Regie: Sara Ostertag Darstellerinnen: Sabine Muhar, Michèle Rohrbach, Sarah Bahmou Komposition und Spiel: Jelena Popržan Musikalische Mitarbeit und Spiel: Anna Starzinger

Ausstattung: Nanna Neudeck Grafik: Birgit Kellner Technik Drehscheibe: Peter Jokl Instrumentenbauer: Hans Tschiritsch Dramaturgie, Musikvermittlung: Maria Tunner

Theaterpädagogik: Brigitte Moscon Regieassistenz: Laura Andreß Ausstattungsassistenz: Martina Maggale Hospitanz: Sabine Kleon

Wann & wo?

Bis 10. März und 8. bis 11. April 2014 Dschungel Wien 1070, MuseumsQuartier Telefon: (01) 522 07 20-20www.dschungelwien.at

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