Neue Werte, neue Wege
Neurowissenschafterin: Menschliches Denken verstehen können
Jetzt reden wir! Fünf junge und ambitionierte Menschen erzählen, weshalb sie beim Forum Alpbach dabei sind und warum ihnen die Zukunft nicht egal ist. Jungreporter Nikolai Atefie berichtet für den (Kinder- und Jugend-)KURIER vom Europäischen Forum Alpbach. Hier Interviews mit spannenden jungen Wissenschafter_innen:
Es ist beachtlich, wenn sich eine 22-Jährige besonders für die subjektive Wahrnehmung bei Menschen interessiert. Aber Teresa Haider ist Neurowissenschaftlerin und Molekularbiologin: „Es heißt ja: Man kann in die Leute nicht hineinschauen. Aber ich denke, dass die menschlichen Gedanken sicher einmal besser ausgelesen werden können. Wir müssen uns als Gesellschaft nur überlegen, wie wir damit umgehen.“ Speziell bei Straftätern möchte Haider in Zukunft neurowissenschaftliche Forschung betreiben und herausfinden, wieso ihre Gehirne die begangenen Straftaten für gut befunden haben.Die Salzburgerin hat sich beruflich intensiv mit dem „Chorea Huntington Syndrom“ beschäftigt, einer Krankheit, bei der Nerven absterben, weil Eiweiße ihren Aggregatzustand verändern, in der Zelle verklumpen und absterben.Vielfältig interessiert Haider ist als Stipendiatin zum ersten Mal beim Forum Alpbach und zeigt sich vom breiten Themenangebot und den namhaften Keynote-Speakern begeistert. In der ersten Woche hat sie – aus reinem Interesse – das Seminar „Philosophie über die kausale Welt“ besucht, wo es um Ursachen mentalen und physikalischen Ursprungs geht und wie diese einander beeinflussen.
Technischer Chemiker: Individuelle Behandlungen erstellen
Auch der Grazer Amin El-Heliebi ist Naturwissenschaftler. Der Diplom-Ingenieur der technischen Chemie beendet derzeit sein Doktorat auf der Grazer MedUni im englischsprachigen Studiengang „Molecular Medicine": „Es ist hochinteressant, mit menschlichem Gewebe, Organen und Tumoren zu arbeiten. Im Moment beschäftige ich mich intensiv mit der Krebsforschung. Anhand von Blutproben von Patienten versuchen wir Individualbehandlungen zu erstellen." Er hofft, dass man künftig aus den isolierten Tumorzellen besser ablesen kann, welche Therapie ein Mensch genau braucht.El-Heliebi ist auch gesellschaftspolitisch engagiert. Der 29-Jährige befasst sich in Alpbach – wegen seines Migrationshintergrundes (sein Vater ist aus Ägypten nach Österreich eingewandert) – mit „Demography and Perspectives in Integration" und ist in diesem Seminar Studienassistent.Migration Er sei sich sicher, dass es große Änderungen beim Pensionssystem in Österreich brauche. „Schon 2050 ist das Verhältnis zwischen Erwerbsfähigen und Über-65-Jährigen 2:1, statt wie heute 4:1. Wir brauchen neue Wege, wie Menschen trotz physischer Einschränkung weiter im Job bleiben können, anstatt in Frühpension zu gehen." El-Heliebi betont: „Und wir brauchen eine funktionierende Migration und Integration."
Politikwissenschafter: Gesellschaftsdiskussion anregen
Viele Nachwuchsforscher in Alpbach kritisieren das Bildungssystem. Einen besonderen Ansatz der Kritik wählt Fabio Wolkenstein. Der 25-jährige Wiener macht gerade sein Doktorat am „European Institute" der „London School of Economics and Political Science". Das Schul- und Universitätssystem verändert sich seiner Ansicht nach in Richtung Firmenwesen: „Immer mehr Unis bleiben hinter ihren eigenen Ansprüchen eines Bildungsideals, Reflexivität und kritisches Denken zu lehren. Das Augenmerk wird stärker darauf gelegt: lernen, zu funktionieren."Wolkensteins Forschungsbereich ist die Organisationssoziologie von Parteien. „Das ist ein bedeutender Bereich, in dem die Politikwissenschaft noch einiges aufzuholen hat", erklärt der Politologe.Wertedebatte Wolkenstein wünscht sich, dass Europa als Wirtschaftsmacht ein zentraler Faktor in der Welt werden soll. Diese Welt solle aber auch mehr Platz für ethische Werte lassen. „Wir müssen diskutieren, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Diese spannende Frage bringt mich jeden Tag dazu, in der Früh aus dem Bett zu steigen."
Physiker & Philosoph: Unterricht, der auf die individuelle Entfaltung achtet
Auf Weitblick und unterschiedliche Ansätze legt Ingomar W. Gutmann, 27, Wert. Daher ist er wohl Physiker und Philosoph geworden, daher widmet er sich neben der Forschung vor allem der Lehre.Gutmann hat wegen einer schweren chronischen Erkrankung schon selbst einiges durchgemacht, denkt aber nicht daran, seine Forschungsarbeit im Bereich Quantengravitation aufzugeben. Er glaubt nämlich, dass die bodenständigen, simplen Theorien der Metaphysik zukunftsweisend sind.Wichtiges Schulsystem Eine zweite große Leidenschaft neben der Forschung ist für Gutmann das Lehren von Physik und Informatik am Albertus Magnus-Privatgymnasium in Wien. Das Schulsystem sei ihm ein großes Anliegen. Stolz präsentiert er den Mini-PC „Raspberry Pi" und den Mikrocontroller „Arduino". Beide könne man im Internet für unter 30 Euro erwerben und damit tolle Sachen anstellen. Mit dieser Hardware hat er gemeinsam mit seinen Schülern einen kleinen sprachgesteuerten Roboter programmiert und gebaut.Gutmann erzählt strahlend von seinen Erfahrungen in der Schule: „Ich glaube, dass sinnvolles Lernen nur mit Freude funktionieren kann. Ich bin absolut gegen strikte Lehrpläne, die nicht auf die individuelle Entfaltung der Schüler achtet. In meinem Unterricht dürfen die Kinder zum Beispiel auch einen polarisierten Kondensator verkehrt herum anschließen und in die Luft jagen. Dann wissen sie nämlich endlich wie man es richtig macht!"Entscheidend ist, dass Lehrer im Unterricht das Denken der Schüler fördern. Und den Weitblick.
Rechtswissenschafterin: Europäische Integration stärken
Die 27-jährige Elizaveta Samoilova erzählt, sie sei schon immer eine Optimistin gewesen. Daher formuliert sie auch ihre Sicht zur aktuellen Lage Europas sehr klar: „Die EU ist einfach ‚too big to fail`."Samoilova ist als Kind von Russland nach Österreich gekommen. Sie hat sich in ihrem Rechtswissenschaften-Studium in Graz auf Europarecht spezialisiert und steht kurz vor dem Doktorat. Sie hofft, dass die Europäische Union sich weiterentwickeln wird und enger mit ihren Mitgliedsstaaten zusammenwächst. „Ich bin überzeugt, dass kleine Nationalstaaten alleine nicht überlebensfähig sind. Es ist sehr wichtig, dass es ein Zeichen nach außen gibt, dass Europa die aktuelle Krise bewältigen kann und wird."Beruflich soll es sie am besten in eine Organisation der EU führen, wo sie sich weiterhin mit der europäischen Integration und EU-Außenbeziehungen mit Bezug auf Osteuropa beschäftigen kann.
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