Mehr als 100 Jugendliche diskutierten zu EU und "Rettungsschirm"
Hat man aus den Lehren bisheriger Finanzkrisen gelernt? Wird nicht Demokratie hinterrücks abgeschafft, wenn Frankreich und Deutschland wichtige Entscheidungen vorab treffen? Mehr als 100 Jugendliche waren Mittwoch Vormittag ins ORF-Theater in Klagenfurt gekommen um bei der Reihe Standpunkt über "Die EU als Retterin! Ist das die einzige Lösung?" mit Fachleuten auf dem Podium zu diskutieren.
Top vorbereitet, mit vielen Fragen - die sie bei weitem nicht alle stellen konnten, weil die hochrangigen Fachleute auf dem Podium zu viel Zeit für sich beanspruchten - waren die 16- bis 18-jährigen Schülerinnen und Schüler der (Real-)Gymnasien Lerchenfeld und Ingeborg Bachmann, der HAK1 und der Waldorfschule der Kärntner Landeshauptstadt am - ungeplant vielleicht spannendsten Tag zu dieser Diskussion gekommen. Immerhin hatte am Vorabend das slowakische Parlament so entschieden, dass es aussah, als würde der Rettungsschirm arge Risse bekommen. Dass mittlerweile wieder alles anders ist, war am Vormittag noch nicht wirklich abzusehen.
Als Erstes am Podium versuchte Richard Kühnel von der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich einen Ausblick in die Zukunft: "Angst ist dafür das falsche Wort, Sie bekommen eine gute Ausbildung. Aber: Sie können sich in kein gemachtes Nest setzen."
Elisabeth Klatzer von ATTAC Österreich (internationale Bewegung für eine demokratische und sozial gerechte Gestaltung der globalen Wirtschaft, Anm.) formulierte gleich ihre Bedenken:"Es ist besonders besorgniserregend, dass die Demokratie durch die EU beschränkt wird, wo einige Bürokraten das Heft in der Hand haben."
Stephan Schulmeister vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) konfrontierte die Jugendlichen mit einem Beispiel: "Vor 40 Jahren gab es im Gegensatz zu heute Vollbeschäftigung und jeder hatte eine Wohnung - die marktreligiösen Vorstellungen, dass Märkte alles besser machen als der Staat, hat uns in diese Situation gebracht, denn Spekulation zählt mehr als unternehmerisches Handeln."
Der 16-jährige Lorenz vom Ingeborg Bachmann-Gymnasium brachte gleich seinen Eindruck zum Ausdruck: "Wie es aussieht, nehmen Deutschland und Frankreich die Zügel in die Hand - das hat nichts mehr mit Demokratie zu tun."
Klatzer stimmte zu: "Die Krise wird dazu genützt, hinterrücks Regeln zu schaffen, die noch weniger Demokratie zulassen."
Kühnel pochte auf die demokratische Haltung der EU: "Wir suchen Transparenz für die Bücher der Finanzinstitutionen und Banken, aber auch die Schuldenbücher der Mitgliedsstaaten." Die Banken zu stützen sei wichtig, weil sie für das Funktionieren des Wirtschaftssystems sorgten.
Was Lukas vom BG/BRG Lerchenfeld gleich zur Frage führte: "Hat man denn aus der Lehman Brother`s-Krise gar nichts gelernt?"
Auch Johanna von der HAK1 gab zu Bedenken: "Es gibt mittlerweile ja Proteste an der Wall Street - ist denn die Verstaatlichung der Banken eine Lösung?"
Stephan Schulmeister konstatierte darauf trocken: "Politiker haben keine Ahnung, was die Banken machen." Was wiederum die Frage auslöste: "Sollen Banken denn noch mehr Steuergeld bekommen, das dann im Gesundheits- und Bildungswesen fehlt?" Weiters wollten die Jugendlichen wissen, welche konkreten Maßnahmen denn nun für Griechenland geplant seien und woher denn das Geld für den Rettungsschirm komme.
Der aus Südtirol gebürtige Uriel, 16, von der Waldorfschule ließ nicht locker und artikulierte seine Frage mehrmals: "Wie will die EU nun die Wirtschaft in die Hand nehmen und die Wirtschaftskrise meistern?" Kühnel verwies einerseits auf die für 23. Oktober geplante Stellungnahme des EU-Ratspräsidenten, wie weiter vorzugehen sei. "Wir können unseren Mitgliedern nichts aufzwingen. Im Fall Griechenland besteht die Vorgabe, die Staatsausgaben auf drei Prozent pro Jahr zu limitieren und die Schulden zu reduzieren." Und Kühnel gestand ein: "Den Menschen dort geht es schlecht, aber wir geben Griechenland, was es jetzt braucht: Zeit für Veränderung."
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