Lia und ihre Comic-Held_innen
Geh, kannst du nicht auch einmal was sagen!
Es ist ja auch deine Tochter!
Eine Häufung solcher und ähnlicher Sätze aus dem Off dringen in Lias Kopf ein. Da hilft selbst der versuchte Fluchtversuch zu Videospielen nichts. Unerträglich sind diese ersten paar Minuten. Körperlich schon als Zuschauer kaum auszuhalten. Ja, da lässt sich gut mitfühlen, dass die 13-Jährige knapp vor ihrem Geburtstag beschließt: "Ich hau ab!"
Straßenkinder
Auch wenn Lia dann doch nicht auf der Straße landet, ein gelungener Einstieg ins Thema Straßenkinder, das das Stück "Es war einmal das KIND...", hintergründig durchzieht.
Am Anfang standen Recherchen der Neo-Regisseurin, bislang als Schauspielerin vor allem in Stücken von "daskunst" aufgefallen, Alev Irmak. Auch mit ihrem Team von Schauspieler_innen haben sie Orte Wiens, an denen Straßenkinder leben, sich aufhalten, erkundet. Reale Geschichten von Sozialarbeiter_innen erfahren und sie künstlerisch-kreativ und kunstvoll verarbeitet. Nie und nimmer vordergründig spielen sie die eigentliche Rolle im Hintergrund.
Dunkle Seite
Bevor Lia (Simone Fröhlich) wirklich abhaut, stolpert sie über ein geheimnisvolles Packerl mit noch mysteriöserem Inhalt: Ein Fernrohr und die Anleitung, sollte sie ein vorgegebenes Sternbild finden, hätte sie drei Wünsche frei. Sie entdeckt das Sternbild des Buches - und wünscht sich ihre Held_innen ins Kinderzimmer. Superman (Wolfgang Fahrner) ist postwendend da - um sie als Feindin zu würgen. Aschenputtel (Michaela Bilgeri) schlüpft aus dem Märchenbuch, Catwoman (Carola Pojer) springt aus dem Bett und Gargamel (Oktay Günes) kommt die Stufen des Zuschauerraumes runter auf die Bühne. Dem schleudert sie gleich entgegen, dass sie ihn nicht gerade herbeigesehnt hätte. Was der damit kontert: "Jeder hat eine dunkle Seite."
Die sind gar nicht so....
Angesichts Supermans Attacke lässt Lia noch gleich einen zweiten Wunsch los: Alle vier mögen sich verjüngen aufs gleiche Alter wie sie selber. Nichts desto trotz wird's heftig und turbulent. Rasant und immer wieder ziemlich witzig entsprechen alle vier Held_innen nicht so ganz den bekannten Bildern. So ist Aschenputtel gar nicht heiß auf einen Prinzen. An der Aussicht, in einem Schloss wohnen zu können, fasziniert sie vor allem der Gedanke: "Dort gibt's sicher eine große Bibliothek!"
Gargamel gibt den Coolen, Starken, erinnert sich doch aber immer wieder daran, ständig ausgeschlossen worden zu sein. Superman, eigentlich ja Superboy, wird mit der Nase drauf gestoßen, an einem Helfersyndrom zu leiden und Catgirl kommt aus einem elterlichen Haushalt, der sie durch die beinahe noch härtere Variante der Unaushaltbarkeit wie Lias Eltern davon treibt: Eisiges Schweigen, Luft die mit einer Flex wahrscheinlich nicht durchschnitten werden könnte.
Videos gut kombiniert
Die Rückblenden der vier Held_innen in ihre Kindheit, die Hekunftsfamilien, die sie echt oder "nur" in Gedanken auf die Straßen treiben, erfolgen in genial mit dem Schauspiel kombinierten Videoeinblendungen. In einer sehr gelungenen Gesamtinszenierung, in der das Bühnenbild aus puzzleartig verschiebbaren Elementen eine verspielte, einladende Kinderzimmer-Atmosphäre schafft.
Am Schluss möchte sich Lia "nicht wünschen müssen, dass meine Eltern nie mehr streiten!" Unaufdringlich plädieren sie und ihre Comic-Held_innen mit Gedanken über Wünsche einfach für Respekt gegenüber Kindern. Weshalb diese - per Videos mit eigenen Wünsche - die letzten Worte haben!
Infos
Es war einmal das KIND ...
Uraufführung, Schauspiel, 70 Minuten
4 on the floor
ab 9 Jahren
Besetzung:
Regie, Idee, Buch: Alev Irmak
Dramaturgie, Buch: Burak Büyük
DarstellerInnen:
Michaela Bilgeri (Aschenputtel, Stimme der Mutter)
Oktay Günes (Gargamel, Stimme des Vaters)
Wolfgang Fahrner (Superman/boy)
Simone Fröhlich (Lia)
Carola Pojer (Catwoman)
Choreografie: Susanne Rietz
Bühne: Ece Anisoglu
Musik: Uwe Arthur Felchle
Kostüm: Sarah Damovsky, Maria Kuzyk
Bühnenassistenz: Maria Kuzyk
Regieassistenz: Dorothee Joss
Regiehospitanz: Pia Kirchler
Dramaturgiehospitanz: Jasmin Surm
Grafik, Webdesign: freidenkers
Video: Stefan Sladic, Vladimir Petković // ONE IDEAL BOY
Produktion: Alexandra Hutter
Technischer Produktionsdesigner, Licht, Ton: Sebastian Bauer
Termine
Mittwoch, 26. Oktober, 17 Uhr
Donnerstag, 27. Oktober,10.30 und 17 Uhr
Am Do. 27. Okt. 18:30 findet im Anschluss an die Vorstellung die Podiumsdiskussion "Straßenkinder in Wien" statt (Im Rahmen von PIMP MY INTEGRATION - Projektreihe postmigrantischer Positionen von GARAGE X)
Eintritt frei!
Freitag, 28. Oktober, 10.30 Uhr
Samstag, 29. Oktober, 17 Uhr
Sonntag, 30. Oktober, 17 Uhr
13. und 15. Dezember, 10.30 Uhr
14. Dezember, 10.30 und 18 Uhr
Ort
Dschungel Wien, 1070, MuseumsQuartier
Telefon: (01) 522 07 20 20
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