Wenn die Bürokratie im Nebel verschwindet

Szenenfoto aus "Das Schloss" nach Franz Kafka von "Theater Arche"
Eine spannende, atmosphärische Version von „Das Schloss“ nach Franz Kafka in einem kleinen Theater in Wien-Leopoldstadt.

Zwischen Dorfwirtshaus und Spielstätte pendelnde, kontrollierend, beobachten, ausleuchtend ein Mann im dunklen Arbeits-Overall mit Stirnlampe – der Regisseur, Theaterpatron und bei diesem Stück Ton- und Lichttechniker Jakub Kavin. Die Dorfwirtin an der Schank gegenüber dem Eingang zum Theaterraum vertritt im Gespräch die Haltung, Fremde seien nicht so wirklich willkommen. Als Frieda wird sich Barbara Schandl im Stück dann doch mit Herrn K., dem einzige Fremden im Dorf, anfreunden.

Fragmentarisch

Wenn die Bürokratie im Nebel verschwindet
Szenenfoto aus "Das Schloss" nach Franz Kafka von "Theater Arche"

Auf allen Vieren umkreist Bernhardt Jammernegg die Besucher_innen. In seinem grauen Overall lässt er die Theatergäste raten, ist er eine Katze – was seine Bewegungen erahnen ließen oder doch eher ein Hund – worauf das Beschnuppern hinwiese, manch gewagter Sprung aufs Podest, das als einziges Requisit im Theaterraum steht, ließe auch eine Raubkatze vermuten.
Das Theater Arche, eine kleine, freie Gruppe, hat diesmal Franz Kafkas Romanfragment „Das Schloss“ ins Szenen gesetzt. Fertiggestellt wurde das Werk von Max Brod nach Kafkas Tod, er hatte viel mit dem Autor über „Das Schloss“ gesprochen.

Zwar kompakt, aber doch irgendwie auch fragmentarisch hat Kavin als Regisseur die Metapher auf übermächtige, unnahbare Bürokratie inszeniert. Herr K. dringt nie wirklich bis zum „Schloss“, zur „Behörde“ vor, wo Beamte, die erst gegen Ende der eineinhalb Stunden sichtbar werden, Berge von Akten hin und her schicken und tragen. Dieser Herr K. wird hier von Johnny Mhanna gespielt. Der hat Schauspiel in Damaskus studiert bevor er 2012 in den Libanon flüchten musste. Als 2015 dieses kleine Land 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hatte, was rund einem Viertel der Gesamtbevölkerung entsprach, war die Lage für viele unhaltbar geworden – die Staatengemeinschaft hatte die finanzielle Unterstützung für Flüchtlingslager stark reduziert. Da machte sich Johnny Mhanna auf nach Wien, „wo zwei Onkel von mir seit vielen Jahrzehnten leben“. Die hatte er einmal mit seinen Eltern besucht. „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern, da war ich ganz klein, aber meine ersten Schritte hab ich hier gemacht, hat mir meine Mutter erzählt, irgendwo im Prater“, erzählt er nach der Vorstellung dem Kinder-KURIER.
In Österreich spielte er bisher in mehreren Produktionen fast immer Flüchtlinge. Hier als Landvermesser ist er einmal ein gehobener Fremder. „Ich habe auch fast Berge von Akten zu Hause von meinen Ansuchen um Asyl und alle anderen Genehmigungen. Das Gefühl, immer wieder niemanden erreichen zu können, kenne ich von meinen Behördenkontakten“, verrät er nach dem Stück dem Kinder-KURIER.

Vielseitig

Wenn die Bürokratie im Nebel verschwindet
Szenenfoto aus "Das Schloss" nach Franz Kafka von "Theater Arche"

„Für mich war der Johnny auch deswegen eine ideale Besetzung, weil er nicht schon mit Bildern von Kafka vorgeprägt war und unvoreingenommen an dieses Stück gehen konnte“, so Regisseur Kavin. Zu den drei genannten Darsteller_innen, wobei Schandl auch noch Cello spielt, gesellen sich mit Anna Anderluh und Natalia Fonta, zwei weitere, die wie auch Jammernegg in neutralen Overalls in verschiedene Rollen schlüpfen, nicht zuletzt Gehilfen von K.. Ihnen gegenüber lebt er seine erleidende Ablehnung und Hilflosigkeit gegenüber der anonymen Behörde aus – nach oben buckeln, nach unten treten ist ein alter Spruch über das Verhalten von Beamt_innen. Natalia Fonta ist zudem Herrenhofwirtin in schwyzerdütscher Mundart und wechselt blitzschnell in die Figur der selbstbewussten Amalia, die dem mächtigen Beamten Sortini widersteht und ihm einen Korb gibt.
Fast am Ende der rund 90 Minuten verschwindet die Mitte des Raums, also die Bühne – die Zuschauer_innen sitzen einreihig am Rande – in Theaternebel – für alle undurchschaubar! Aus diesem tauchen alle Darsteller_innen mit Masken auf, jede mit einer anderen markanten Nase aber irgendwie angesichts fehlender Augen doch gesichtslos wirkend.

Wenn die Bürokratie im Nebel verschwindet
Szenenfoto aus "Das Schloss" nach Franz Kafka von "Theater Arche"

Das Schloss
nach Franz Kafka
eine TheaterArche Produktion

Regie und Bearbeitung: Jakub Kavin
Darsteller_innen: Anna Anderluh, Natalia Fonta, Bernhardt Jammernegg, Johnny Mhanna, Barbara Schandl
Musik: Margareta Ferek-Petric und das Ensemble
Regieassistenz: Christine Nemeth und Nagy Vilmos

Wenn die Bürokratie im Nebel verschwindet
Szenenfoto aus "Das Schloss" nach Franz Kafka von "Theater Arche"

Wann und wo?
13., 14., 15., 17., 18., 21. Februar 2018, jeweils 20 Uhr
Theater Delphin, 1020, Blumauergasse 24
Karten:
office@theaterarche.at
Telefon: 0650/6204554
www.theaterarche.at

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