Kids wollen Welt verändern!
Eine starke Stunde! Eine Art Klassenzimmer. Hell, ganz in weiß – von den Wänden über die Tische und Sessel bis hin zu den Gewändern der „Schülerinnen“ und „Schüler“. Unter Anführungszeichen deshalb, weil die 10- bis 19-Jährigen zwar alle die Schule besuchen, aber hier agieren – die meisten zunächst - in deren Rolle. Sie spielen rund eine Stunde ein starkes hochpolitisches Stück, verknüpfen persönliche Berufs- und Zukunftswünsche mit bohrenden Fragen nach gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und deren Veränderbarkeit.
Aber zurück zum Anfang. Neben den „Schüler_innen“, sitzen – gleich gewandet – auch fünf Kids verteilt im Publikum. Alle zeichnen oder schreiben auf bunte oder weiße Blätter. (Schreib-)Maschinengeräusche. Dazwischen Foto-Klick-Geräusche und in derselben Sekunde synchrones Kameralächeln der Bühnen-Darsteller_innen.
Stehsätze entblößt
Asude Şahin: „Ich möchte Sängerin werden. Ehm, halt nicht so deutsche Lieder, sondern englische, in den USA, oder so,“ wird nicht ganz so rüde abgeschmettert. Sie lässt auch tatsächlich nach einer Playback-Phase ihre wahre Stimme vom Balkon aus erklingen. Wowh.
Obwohl Anna Vera Derschmidt eindrucksvolle Tanzfiguren zwischen und auf die Tische samt artistischen Verrenkungen ohne beim Sprechen dabei außer Atem zu kommen zaubert, relativiert sie doch auch gleich wieder den möglichen Berufswunsch.
Und nur weil Mohammad Alibrahim seinen Berufswunsch Zahnarzt auf Arabisch in kurdischer Sprachmelodie vorträgt, wird er von den Bühnenkolleg_innen bewusst offenkundig nicht so ganz ernst genommen. Mittlerweile kann der junge Flüchtling aus Syrien zwar auch Deutsch, aber wohler fühlt er sich eben noch in seiner Erstsprache.
Diskriminierungen aufgezeigt
Von da an wird’s hochpolitisch – die Kinder und Jugendliche haben übrigens Inhalte, Texte, Szenen weitgehend selbst eingebracht, Aufgabe der Profi-Theaterleute war es im Wesentlichen aus der Fülle des von den Kids kommenden (Text-)Materials ein stringentes Stück in annehmbarer Länge, zu bauen. Ungerechtigkeit zwischen arm und reich, Diskriminierungen aufgrund von Herkunft oder Geschlecht, Ängste, nur zu kleinen Rädchen in einem System von Arbeitsorganisation zu werden wie Ameisen (Sarah Pritchard-Smith: „Ameisen werden nie arbeitslos, aber sie können sich ihren Beruf nicht aussuchen“), von Unter- und Überordnung aber auch die – spürbar vermittelte Angst, dass sich Kriege ausbreiten könnten, auch nach Europa nach Österreich...
So kann es nicht bleiben!
Chor „so kann das nicht bleiben!“, erhobene, geballte Fäuste, ... philosophieren, wie eine Welt funktionieren könnte, in der nicht nur Geld regiert, in der nicht gelebt wird um zu arbeiten, sondern gearbeitet wird, um zu leben... Beispiele von – kleinen – Gemeinschaften, die auch mit bedingungslosem Grundeinkommen funktionieren. Gegenargumente. Wer würde dann Arbeiten verrichten, die nicht so beliebt sind?
Leider bleiben die Mistkübel, um deren Wegräumen inszeniert gestritten, mit demaskierenden Klischeebildern jeweils anderen zugeschoben wird, letztlich wirklich stehen. Eine dramaturgische Schwäche, denn damit wird der wirklich stark vorgetragene Schluss-Appell zur Freiheit und Chancengleichheit, sein Leben in alle Richtungen öffnen und gestalten zu können/dürfen, leider ein bisschen beeinträchtigt.
Übrigens...
Volx/Margareten
Junges Volkstheater in Zusammenarbeit mit der Volkshilfe Österreich
Theatrale Feldforschung
Stückerarbeitung und (Bühnen-)Spiel: Mohammad Alibrahim, Tarik Bitar, Robert Czyszczon, Anna Vera Derschmidt, Sarah Kadlec, Yuria Knoll, Jordan Lindinger, Wildan Minkailova, Luana Otto, Patricia Panzer, Sarah Pritchard-Smith, Asude Şahin, Marjam Vatsaeva, Helmand Wasil, Saphira Wing; Maila (7) Otto (im Chor; seit 7. Jänner)
Regie: Constance Cauers, Malte Andritter
Bühne: Hans Kudlich
Kostüme: Werner Fritz
Choreographie: Anna Larcher
Dramaturgie: Andrea Zaiser
Wissenschaftliche Begleitung: Alban Knecht, Karoline Huber, Anna Larcher
Theaterpädagogische Beglt.: Sophia Ayerbe Hoyos
Wann & wo?
12./13. Februar 2016; weitere Termine im Gespräch
Volx/Margarten
1050, Margaretenstraße 166
Telefon: (01) 521 11-0
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