Bitte nicht eintreten....!

Laura Hermann (Stella), Bernhard Singer (Hans), Anna Mitterberger (Renate), Raphael Cisar (Paul), Pierre Gold (Sebastian)
Arbeitslose Schauspieler_innen spielen über Jobsuche - und haben vorübergehend ein Engagement. Internationales Projekt.

Update: 24. 03. 2016: Die zwölf beteiligten Länder hinzugefügt

Der Anfang ziiiiieht sich. Deklamierte Leitartikel rund um (Erwerbs-)Arbeit, deren mögliche Entwicklung und Joblosigkeit. Doch dann - nach gefühlten zu vielen der insgesamt rund 80 Minuten dauernden Performance „I work, therefore I am“ -, geht’s endlich wirklich theatral los.

„Bitte nicht eintreten, Sie werden aufgerufen!“, ertönt eine Stimme aus dem Off. Was im ersten Moment auf Wartesaal beim ArbeitsMarktService hindeutet, entpuppt sich als Warten auf ein Casting für Rollen am Stadttheater.

Nur spielen wollen

Bitte nicht eintreten....!
Anna Mitterberger (Renate), Albane Troehler (Die Illusion), Laura Hermann (Stella), Natalie Heilinger (Die Angst) (im Hintergrund), Raphael Cisar (Paul)
Die Wartenden: fünf ganz unterschiedliche Typen. Nervös natürlich allesamt. Das zeigen die einen direkt, die anderen versuchen’s zu überspielen. Paul wärmt Körper und Stimme auf, Stella gibt die Coole, die aber eh lieber Filme oder Serien drehen würde, nur noch getopt von ihrer Kaufsucht („wenn ich kaufe, lebe ich“) und dem Hang zum „Prinzessinnen“-Dasein. Sebastian „will einfach unbedingt spielen“ und natürlich braucht er auch das Geld. Renate versucht die anderen zu schocken, indem sie erzählt, sie verdiene ihren Lebensunterhalt als „Hur“ und als es alle zu schlucken scheinen, „nein, Scherz, ich kellner“. Hans stöpselt seine Ohren mit In-Ear-Kopfhörern zu.

Viele Ängste

Zittern vor dem Auftritt vorm Intendanten, danach niedergeschlagenes Rauskommen und beschreiben, wie ignorant der war. Mehr oder minder. Zwei kommen mit einem zeitweisen Engagement in den Bühnenraum der Wartenden. Sie freudestrahlend, er zweifelnd, denn Bedingung für den Job ist, sich einen Chip in den Unterarm implantieren zu lassen, der stets sämtliche Gesundheitsdaten speichert und ans Theater weiterleitet. Das ist ihm dann doch zu steil und er „ent-wirbt“ sich, „um sich die Freiheit herauszunehmen, das Jobangebot zurückzuweisen bevor er zurückgewiesen wird“.

Immer wieder treten bzw. tanzen oder springen drei weitere Figuren auf die Bühne – Allegorien: die Angst, die Illusion und der Narziss. Letzterer als Tänzer, die beiden ersteren mit Fragen, Kommentaren und abgewandelten klassischen Zitaten, etwa aus Goethes Faust.

Prekär und temporär - dehnt sich aus

Bitte nicht eintreten....!
Anna Mitterberger (Renate), Natalie Heilinger (Die Angst)(im Hintergrund), Pierre Gold (Sebastian), Raphael Cisar (Paul)
Mehrmals tauchen in Video-Statements auch wieder jene Fachleute auf, die im Zuge der Recherchen für das Stücke ausführlich befragt worden sind – vom AMS, Unternehmer_innen bzw. ein Uni-Robotik-Experte. Hier mitten drin passen ihre Sager gut rein, besser als an den Beginn. Übrigens AMS, die Schauspielerinnen und Schauspieler waren allesamt tatsächlich vor diesem Engagement arbeitslos und kamen über Vermittlung von „Team4 KünstlerInnenservice“, gleichsam des auf diese Berufsgruppe spezialisierten AMS. Bei der Erarbeitung des Stücks brachten sie ihre bis dahin gemachten Erfahrungen ein.

Aus diesen Erfahrungen leiten die Fachleute, die den gesamten Arbeitsmarkt beobachten ab, dass sich diese - vor allem prekäre und immer wieder nur vorübergehende Beschäftigungen – auch auf viele andere Bereiche ausweiten. Und, dass es oft mehr auf die Selbstvermarktung als aufs eigentliche Können und Wissen ankomme.

International

Steigende Arbeitslosigkeit, nicht zuletzt und vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen, oft auch mit guten Ausbildungen, veranlasste das Europäische Theaterhaus im deutschen Lingen, ein internationales Projekt zu diesem Thema zu initiieren. Die Spielleiter_innen von 12 Theaterhäusern bzw. vor allem sozialpädagogischen Einrichtungen in zwölf verschiedenen Ländern (Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Litauen, Niederlande, Österreich, Polen, Slowenien) trafen einander im Jänner und arbeiten – mit Ausnahme der Jungen Burg – fast ausschließlich mit Laien und Jugendlichen. Vernetzt sind sie über eine interne Web-Plattform. Für den 24. Mai ist in allen Städten ein Aktionstag geplant, Ende Juni treffen die Spielleiter_innen einander wieder. Später „wird es eine tiefgreifende Dokumentation geben“, so die Auskunft aus Lingen.

Zur Homepage des Europäischen Theaterhauses

I work, therefore I am
Junge Burg
Ein Projekt zur Zukunft der Arbeitswelt

Paul: Raphael Cisar
Sebastian: Pierre Gold
Stella: Laura Hermann
Renate: Anna Mitterberger
Hans: Bernhard Singer
Die Angst: Natalie Heilinger
Die Illusion: Albane Troehler
Der Narziss (Tänzer): Frédéric Troehler

Regie: Annette Raffalt
Bühne und Kostüme: Eva Gumpenberger, Stefanie Muther
Video: Sophie Lux
Choreographie: Daniela Mühlbauer
Dramaturgie: Annette Friebe
Licht: Ivan Manojlović

In Videos: Michael Czerny, Team4 KünstlerInnenservice (AMS), Petra Draxl, AMS-Wien-Leiterin, Sabine Frasch, Head of Human Resources; Daniel Häni, Unternehmer; Jana Horst, Schauspielerin; Markus Vincze, Robotiker/TU Wien

Wann & wo?
26. März, 2. und 3. April
Burgtheater, Vestibül, Landtmannseite
1010, Universitätsring 2
Telefon: 01 51444-4140
info@burgtheater.at

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