Mit karierter Kleiderschürze, Kopftuch und Wischmopp wuselt die kleine Frau schon vor der Vorstellung zwischen den wartenden Theatergästen herum. Mit herbem Charme fragt sie, ob eh schon alle Lulu gewesen und fertig telefoniert hätten. Selbst wer die „Putzfrau“ (noch) nicht kennt, ahnt, dass es sich um die „Frau
Franzi“ handelt, die später den Abend auf der Bühne gestalten wird.
Hin und wieder nimmt sie in den eineinhalb Stunden – wie in den vorangegangenen neun Stücken – Bezug auf die Putzfrauen-Rolle. In der „
Gästeliste“ dreht sich die Rahmenhandlung um die Jubiläums-Produktion und die Frage, wer wird zu dieser eingeladen wird. Als „Putzfrau“ will sie sich mit ihren Kolleg_innen, die in der Politik putzen, austauschen, wie diese das Parkett so schrubben, dass so manche Politiker_innen dort ausrutschen, dafür die Sessel so abstauben, dass viele kleben bleiben (wollen).
Schäggsbia
Wie in den vorherigen Produktionen lebt „Die Gästeliste“ von Reichholds Schauspiel, in dem sie als Utensilien kaum mehr als klassische Putz-Teile verwendet. Aus einfachen Fetzen werden Romeo & Julia, Othello, Jago, König Lear und all die anderen Charaktere -hauptsächlich aus ihren „Schäggsbia“-Interpretationen. Bei ihr gibt’s kein langes Herumfackeln, kurz und bündig bringt sie – in der Gästeliste noch viel stärker, weil all die vorangegangenen Stück ja nochmals konzentrierter im Schnelldurchlauf an die Reihe kommen – die Dinge auf den Punkt – ob Liebe oder Mord. Und begründet, weshalb auch erstere immer tragisch ausgehen oder wenigstens verlaufen muss – wen würde etwa interessieren, was Romeo und Juli in einer langjährigen Ehe für banale Wickel hätten? „Alltag lässt den glorreichsten Glorienschein verblassen!“
Mitunter rückt sie auch die Rollen der Hauptcharaktere sozusagen zurecht – in Othello outet sie vor allem Jago als den Oberschurken. Noch dazu einer, der weder nach offizieller macht oder Geld oder anderem Vordergründigen trachtet, sondern einer, dem’s um die Lust am Fies-Sein geht.
Apropos Fies-Sein. In „Die Gästeliste“ (Regie wie in den meisten anderen Stücken: Christian Suchy) taucht ein „Neuer“ auf. „Richard III.“ Mehrmals taucht dieser als Figur auf, beschwert sich, dass ihm noch keine eigene Show gewidmet sei und Liebesgeschichten überhaupt zum Speiben wären.
Mit dabei auf der Liste der Geladenen hingegen der Ochs aus dem „gribbmschbü“ oder die Mizzi aus „a haydn-oawad“, die in der offiziellen Geschichtsschreibung nie vorkommt, aber die richtungsweisende Muse des Komponisten gewesen sein soll. Und irgendwie eingeflochten spult „Frau Franzi“ auch noch die Textmengen der von ihr verarbeiteten Shakespeare-Stücke auf Basis der kleinen, gelben Heftchen runter – 22.240 Zeilen sowie der gespielten Minuten (827 – und 12 Sekunden), nur „sex & crime“ oder wie sie es „übersetzt“: Tschinn-Bumm.
Zeitlos
Ihr eingangs beschriebenes Outfit scheint zwar wie aus der Zeit gefallen. Ihr Spiel, vor allem der Shakespeare’schen Dramen, verdichtet diese auf das Wesentliche und wird damit zeitlos. Dafür sorgt als Basis die detailgenaue Kenntnis der Arbeiten des Meisters der dramatischen Literatur, die Reduzierung, vielmehr Konzentration auf den Kern der Geschichten, das Herausschälen der Grund-Charaktereigenschaften der handelnden Figuren. Auf dieser Grundlage erarbeitet
Marika Reichhold, die spätberufene Schauspielerin, ihr locker wirkendes Schauspiel. Und dieses paart sie mit sprachverspieltem Mix aus Alltagsdialekt und eingestreuten, nie wie Fremdkörper auftauchenden, komplexen Fremdwörter-Kaskaden sowie äußerst präzise gesetzten Pointen. Dies ergibt Theatererlebnisse, die herzhaftes Lachen und Amüsement mit tiefgründigen Blicken in Abgründe menschlichen Handelns eröffnen. Gespannt, ob der in der „Gästeliste“ erstmals auftauchende Bösling Richard III. vielleicht als nächstes sein eigenes, hier mehrmals eingefordertes, Stück kriegt.
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