Das Recht auf Lebensfreude

Das Tagebuch der Anne Frank als Clownstück? Geht das überhaupt? Diese Frage stellten sich so manche Besucher_innen bei der 5. Auflage von Clownin, dem internationalen Clownfrauen-Festival. Claudia Cantone, langjährige Ex-Polizistin aus Rom, schafft(e) das. „L’Alloggio Segreto” (Das geheime Hinterzimmer) heißt ihre knapp mehr als einstündige berührende, erschreckende doch immer wieder von Momenten des Lächeln, hin und wieder sogar Lachens durchzogene Performance, die fast ganz ohne Worte auskommt.

Freunde?
Doch halt, sie legt eine Pause ein, zaghaft wendet sie sich dem Publikum zu. Ängstlich fragt sie die ein/den anderen „Friend/Freund?“. Wer zusagt, kriegt eine Armschleife von ihr. Zu viert lachen und tanzen sie. Bis plötzlich der Alarm schrillt. Eine mark-durchdringende Sirene. Anne stürmt auf die Bühne – Koffer und Ballon, die sie abgelegt hat, kann sie gar nicht mitnehmen. Die – bittet sie pantomimisch – möge ihr jemand reichen, nachdem der Alarm vorbei ist.

Diktatoren-Blablabla...
Die Uhr erinnert an eine der vielzähligen in Gemälden von Salvador Dali, die Zeit zieht sich zähflüssig dahin. Aus dem Radio kommt die Stimme Hitlers, später auch die von Franco, Mussolini. Und die Clownin verfremdet sie in Kunstsprachen-blablabla durchsetzt lediglich von Wörtern wie krieg, Terrorismus... Wobei das sich lustig-machen eigentlich nur eine kleine Überhöhung der Originalstimmen braucht, die aus heutiger Sicht ohnehin schon sehr komisch wirken. Die Stelle des vielleicht offensten Lachens – auch wenn dies vor dem Hintergrund des historischen Wissens von heute kräftig im Hals stecken bleibt.
Träume

Cantone, die natürlich immer wieder im Tagebuch blättert und schreibt, das so rot/weiß-kariert aussieht wie wir es aus Abbildungen kennen, verhandelt im Stück aber auch den einen oder anderen Konflikt – in dem Fall mit der Mutter ausgetragen, immerhin fällt in die Zeit im Hinterhaus-Versteck ja auch Annes Pubertät.

Aber wie kam’s zu
Anne Frank und ihrem Tagebuch?
Ich hab einmal in einem Projekt mit der jüdischen Gemeinde von Rom gearbeitet. Das ist eine alte Gemeinde seit dem Jahr 70 vor Christus, vielleicht die einzige in Europa, die sich bis heute erhalten hat. Ich habe ihre Geschichte studiert. Und eines Nachts hatte ich einen Traum – Bilder, Zahlen und Sounds.“
Und die hatten mit dem Tagebuch der
Anne Frank zu tun?
Nicht ganz direkt, aber diese Bild- und Ton-Eindrücke haben mich dann zu dieser Geschichte geführt. Da hab ich dann das Tagebuch, das ich auch schon einmal als Kind teilweise gelesen hatte, intensiv studiert.“

Nein, für mich ist die Figur des Clowns/der Clownin eine Art Schamane/Schamanin, die heilen kann. Sie sucht noch in den schlimmsten Situationen mit einem Lächeln oder Lachen einen Ausweg nach draußen. Und verkörpert das Recht auf Leben(sfreude).

Geschrieben von: Claudia Cantone und Claudio Fois
Solo-Darstellerin: Claudia Cantone
Regie: Virginia Imaz und Claudia Cantone
Kostüm: Roberta Beolchini
Bühne und Requisiten: Alessandra Ricci
Kommentare