Der Veranstaltungssaal in der Hauptbücherei war mehr als voll besetzt – gut 250 Besucherinnen und Besucher saßen und standen dicht gedrängt an den Rändern- und es war gut eineinhalb Stunden mucksmäuschenstill, die sprichwörtliche Stecknadel wäre zu hören gewesen, wäre eine zu Boden gefallen.
Gebannt und hochkonzentriert lauschten sie einem Gespräch, das Paulus Hochgatterer, Psychiater und Schriftsteller, mit der weltbekannten, vielfach preisgekrönten (u.a. mit dem Astrid-Lindgren-Preis) Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger führte. Es war der Auftakt zu einer Reihe der Hauptbücherei über (mögliche) Zusammenhänge zwischen verschiedenen Sparten der Literatur und politischer
Bildung.
In ihrer unnachahmlichen bescheidenen, zurückhaltenden, schnörkellosen, fast ein bisschen ruppig wirkenden Art, die fast stetig auf einem Film von erdigem Schmäh wie auf einem Luftkissen dahinflutscht, antwortet sie auf die Fragen, die immer davon gekennzeichnet sind, dass der Interviewer sich gut vorbereitet hat.
Vom Feindesland zur Illusion
So zeichnet Nöstlinger zunächst den Weg aus einem politischen Elternhaus, dem Aufwachsen in Feindesland – „du hast als Kind immer g’wusst, was du wo sagen darfst“ – bis zu ihrem ersten eher zufällig entstandenen Buch „Die feuerrote Friederike“. Die studierte Grafikerin hatte erst nur die Illustrationen gezeichnet – und dann gleich den Text geschrieben, der von sozialistischen Hoffnungen und Illusionen getragenen ist. Vom Glauben an eine bessere, gerechtere, vorurteilsfreiere Zukunft schrieb sie, weil „vorher waren Kinderbücher ja nix anderes als pädagogische Pillen eing‘wickelt in G‘schichterlpapierln“.
Nie indoktrinieren
Nöstlinger und die Gruppe junger aufmüpfiger und vom Aufbruch besessener Kinderbuchautorinnen und –autoren siedelten ihre Geschichten im realen Leben von Kindern an „natürlich immer auf Seiten der Schwachen“ und immer als Plädoyer für den aufrechten Gang, „aber ich wollte nie politisieren, auch wenn es nix Unpolitisches gibt. Und auf kann Fall wollt i Kinder indoktrinieren. I hab immer a Verantwortung g’spürt, qualitätsvoll zu schreiben.“
Mütter und Lehrer_innen
Dass in so manchen Büchern die Mütter schlecht wegkommen, sei daran gelegen, „dass i mia selber als Mutter meiner Kinder zuagschaut hab. Wer je zufällig in Spiegel g‘schaut hat, wenn du mit deine Kinder keifst…“
Von Lehrerinnen und Lehrern sei sie immer wieder angesprochen worden, dass diese Berufsgruppe in ihren Büchern so schlecht wegkomme „bis i amoi nachzählt hab und drauf kommen bin, dass genau so viele nette wie arge Lehrer in meine G’schicht’n vorkommen. Und was i bei meinen Töchtern an Lehrern geliefert kriegt hab, des hab i gar net schreiben kennen, so arg war des…“
Auch wenn sie so manche Illusion in Sachen sozialistischer Gesellschaft abgelegt habe, ist Christine Nöstlinger ihrer Gesinnung, dem Streben nach einer gerechteren, kindergerechteren Gesellschaft in ihrem literarischen Schaffen treu geblieben. Für die Utopie hätten sich ihr Mann und sie nach den 80er Jahren auf „überwintern“ eingestellt. „Wir überwintern schon sehr, sehr lange.“
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