Mit der Schere „malen“

CutOuts
„CutOuts“: Wunderbare, märchenhafte Geschichte mit und über Scherenschnitte(n) mit Anklängen an Andersens Zinnsoldaten und Ballerina-Bild von Matisse.

Ein unaufgeräumtes Atelier? Ein alter Dachboden? Im eher heimelig gehaltenen Saal des Salzburger Toihaus Theaters hängen etliche alte – leere – Bilderrahmen, in einem baumeln ausgeschnittene papierene Tänzerinnen. Um solche wird sich in den nächsten rund 50 Minuten viel drehen. Sie selbst sich auch. „CutOuts“ heißt das märchenhafte, langsame, verspielte Stück der italienischen Theatergruppe Piccoli Principi.

Ein älterer Herr im braunen auch recht alt wirkenden Arbeitsmantel sitzt in einer Ecke und schneidet mit einer großen Schere Figuren aus Zeitungspapier aus. Über den gesamten Bühnenboden verstreut liegen schon etliche verschiedene Papierschnipsel. Es wird noch dunkler, Musik setzt ein und der Mann, er wird der einzige Akteur bleiben, faltet etliche Blätter übereinander, schneidet eine Figur aus, faltet sie auseinander und hat – eine Menschenkette. Mit der wandert er über die gesamte Bühne zu einer Art Staffelei, einer Leinwand, die später auch so etwas wie ein Monitor werden wird. Auf diese Leinwand heftet er seine Menschenkette, und dazu noch zwei weitere, die schon fertig unter der Staffelei hängen. Gefällt ihm nicht, die beiden kommen weg und seine eben erst fabrizierte beginnt er auch auseinander zu schneiden – bis nur mehr eine Figur in der Mitte bleibt. Dieser schneidet er später ein Bein ab.

Andersen und Matisse

Da erinnert vieles an Hans Christian Andersens Märchen „Der standhafte Zinnsoldat“. Er – und seine rund zwei Dutzend „Brüder“ – wurden aus einem Zinnlöffel gegossen, für ihn war zu wenig Material da und er hat nur mehr ein Bein. Weil er eine tanzende Papierpuppe sieht, die ihr Bein so streckt, dass er es nicht sieht, glaubt er, sie hat auch nur eins – und verliebt sich in sie – in Andersens Märchen. Und irgendwie spielt sich das auch hier im Stück ab – mit vielen Details – von den verbrannten Figuren bis hin zum kleinen glänzenden Herzen – das vom verbrannten Zinnsoldaten übrigbleibt.

In diesem Stück, das nun beim BimBam-Festival in Salzburg zu erleben war, spielt hingegen die Tänzerin die viel größere, zentralere Rolle. Und dafür steht neben Andersen eine zweite Inspirationsquelle wie der Spieler Alessandro Libertini und die Co-Regisseurin Véronique Nah anschließend an das Stück dem Kinder-KURIER anvertrauen: Der berühmte französische Maler aus dem vorigen Jahrhundert, Henri Matisse, der auch viel mit Scherenschnitten arbeitete. Ein vor mehr als zehn Jahren entstandener Film über einen Teil von dessen Wirken heißt übrigens „Henri Matisse: The Cut-Outs“. An Matisses – gemaltes – Bild „Ballerina“ erinnern Skizzen, die Alessandro Libertini (der Darsteller des „Meisters“) durchblättert. Auch Matisses bevorzugte Farben kommen in dem doch eher schwarz-weiß gehaltenen Stück an manchen Stellen vor – rosa und blau.

Leichtigkeit des Seins

Mit der Schere „malen“
Festival-Banner in der Innenstadt
Der Künstler, der gleichsam mit der Schere in seinem Atelier malt, zaubert mehrere Versionen der Tänzerin hervor – allesamt vermitteln allein durch das dünne, leichte Material die Leichtigkeit, die die Tanzende versprüht. Neben den Figuren spielt das Theater auch mit Elementen. Aus einer Teekanne scheint endlos Wasser in Tassen zu rinnen – wie bei einem Brunnen mit einer Pumpe fließt es immer im Kreis. Ein Feuerchen, das den Soldaten verbrennt, lässt die darüber hängende Tänzerin drehen – die warme Luft steigt auf und bewegt die Papierfigur.

Kreislauf, Symmetrie und Wiederholung

Das Drehen, der Kreislauf der Dinge und des Lebens ist eines von drei Elementen, die das Theaterduo intuitiv den Kindern und eher den Verstand ansprechend den Erwachsenen mit ihrem Stück mitgeben wollen. Die beiden anderen: die Schönheit der Symmetrie – fast alle Figuren und anderen Teile werden aus in die Hälfte gefaltetem Papier ausgeschnitten sowie die häufige Wiederholung von Vorgängen.

Nah und näher

Gegen Ende des Stücks kommt der „Meister“ mit seiner Kamera, die immer wieder manche seiner Arbeitsschritte groß auf die Leinwand überträgt, dem Publikum nahe und immer näher, filmt die einen und anderen Füße, Hände... – zum Gaudium der jungen Zuschauer_innen – zwei Kindergartengruppen – wo manche anhand der Socken die Kolleg_innen erkennen und auflachen. Zuvor hatten die Kinder fast ein halbes Dutzend Mal während des Stücks Szenenapplaus geklatscht.

CutOuts / ScherenSchnitt (2-6 Jahre)
Compagnia Teatrale Piccoli Principi (Italien)

Idee, Schauspiel Alessandro Libertini
Regie Alessandro Libertini und Véronique Nah

Sound Luca Libertini und Véronique Nah
Künstlerische Begleitung Antonia Monticelli
Künstlerische und technische Begleitung Claudio Coloberti

www.piccoliprincipiteatro.it

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