Junge Vif-Zacks

Junge Vif-Zacks
In der Volksschule Greiseneckergasse haben Kinder Lust am Rechnen.

Pascal’sches Dreieck, Satz des Pythagoras oder Wurzelziehen: Für die Vifzacks der Volksschule Greiseneckergasse in Wien-Brigittenau ist das alles „ganz einfach“. Einmal wöchentlich treffen einander die begabten Schüler verschiedener Klassen, um naturwissenschaftliche Gesetze zu begreifen.
Wie sie das Wurzelziehen lernen, zeigt Slavomir, der vor zwei Jahren von Bulgarien nach Wien übersiedelt ist. Aus 16 Steinen bastelt er ein Quadrat und steckt es in einen Blumentopf. „Die unterste Reihe ist die Wurzel. Du musst nur die Steine zählen, dann weißt du die Wurzel aus 16“, erklärt er den Eltern, die an diesem Nachmittag in die Schule gekommen sind, um zu sehen, wie gut ihre Kinder rechnen.

Melanie hat es das Möbius-Band angetan. Sie erklärt, wie man es herstellt und wozu es taugt: "Du musst einen Streifen nehmen, den einmal am Ende um 180 Grad drehen und zusammenkleben. Dann beschrifte beide Seiten. Das findet du in vielen Tonträgern." Die Mutter von Melanie ist beeindruckt: „Meine Tochter muss mir in den Ferien genau erklären, was sie hier alles gelernt haben. Das begeistert auch mich als Erwachsene." Der Mutter ist die Bildung ihrer Kinder wichtig: "Ich gehe sooft es geht mit ihnen ins Museum."

Ins Leben gerufen hat das Begabtenförderungsprojekt Lehrerin Julia Frischauf. Hilfe erhält sie von Ulrich Jordis, emeritierter Chemie-Professor der TU Wien, dem die Arbeit mit den Jüngsten offensichtlich Freude bereitet. "Wenn auch manches am Anfang eine Herausforderung war." Für ihn war z.B. selbstverständlich, dass die Kinder einen Schaltkreis bauen können, den er zuvor an die Tafel gemalt hat. "Der Schritt vom Abstrakten zum Konkreten ist nicht immer einfach. Das ist eine intellektuelle Leistung. Doch am Ende haben es die Schüler geschafft."

Für diese Projekt wurde die Schule übrigens für den österreichischen Schulpreis nominiert. Die Greiseneckergasse kam unter die Top 3.

Auf den Lehrer kommt es an. Schafft er es, eine gute Beziehung zu den Schülern aufzubauen, so ist der Lernerfolg besonders hoch. Dass die Persönlichkeit des Pädagogen der ausschlaggebende Faktor ist, hat der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie in einer Mega-Studie jüngst nachgewiesen.

Stellt sich die Frage: Sind gute Lehrer einfach Naturtalente? Oder gibt es Methoden, um aus einem Pädagogen eine Lehrerpersönlichkeit zu machen? Dass es die gibt, glaubt Franz Hofmann, Professor für Erziehungwissenschaften an der Uni Salzburg. Gemeinsam mit der Lehrerinitiative COOL hat er ein Projekt gestartet, das sich „selbst.steuern.lernen“ nennt. Das Besondere daran: „Wir vermitteln nicht nur Methoden, wie etwa offenes Lernen. Wir wollen Didaktik und Persönlichkeitsentwicklung verschmelzen.“

Wie das funktioniert? „Eine andere Haltung gegenüber Schülern kann ich mir nicht von heute auf morgen aneignen. Das ist ein langer Prozess.“ Deshalb werden die Lehrer über zwei Jahre betreut. Dazwischen treffen sie sich immer wieder zu zweitägigen Seminaren, um mit ihren Coaches zu besprechen, wie es ihnen im Unterricht ergangen ist. Während des Jahres können sie sich mit anderen über die Internetseite selbst.steuern.lernen.net austauschen.

Die wichtigste Frage, die sich Lehrer dabei stellen: Wie gehe ich mit extremen Stress um? Wenn mir ein Schüler eine böse Bemerkung entgegenschleudert und ich mich so angegriffen fühle, dass ich in dem Moment nicht mehr in der Lage bin, unterrichten zu können? Die Lehrer werden in den Seminaren angehalten, zu überlegen, wie sie in einer solchen Situation reagieren. Mehr noch: Sie sollen sich in den Schüler hineinversetzen und sich fragen, wie diese sich fühlen und handeln, wenn sie unter Druck sind.

Fühlen wie Schüler

Es ist diese Empathie, die einen Lehrer zu einem guten Lehrer werden lässt. „Empathisch kann aber nur sein, wer sich selbst liebt und akzeptiert“, sagt Hofmann. Heißt das also, alle Lehrer müssen auf die Couch? „Nein, natürlich nicht. Lehrer können mit Kollegen über solche Dinge sprechen, ohne ihr Inneres nach außen kehren zu müssen. In Finnland sind solche Team-Treffen selbstverständlich.“ Anders in Österreich. Da hört Hofmann oft den Einwand, dass „das zu sehr ins Private geht.“ Dabei wären Lehrerteams eine ideale Einrichtung: „Hier können Kollegen sich Rückhalt holen. Bei uns gibt es viele Einzelkämpfer.“

Wer seine Persönlichkeit weiterentwickeln will, muss laut Hofmann einige Voraussetzungen mitbringen: „Er muss bereit sein, sich das theoretische Rüstzeug anzueignen: Basiswissen in Entwicklungspsychologie gehört dazu. Und er sollte dieses Wissen an sich persönlich heranlassen und letzten Endes auch bei sich selbst anwenden.“

An der „School of Education“ der Uni Salzburg machen Studenten übrigens im zweiten Semester einen Online-Test, der Auskunft über ihre eigene Persönlichkeitsstruktur gibt. „Auf dieser Basis unterstützten wir die Studenten, sich zu professionalisieren“, sagt Hofmann. „Verpflichtet wird aber niemand.“

Lehrer während der Aus- und Fortbildung in ihrer Persönlichkeit zu stärken ist also ein Erfolgsrezept. Aber ein nicht ganz billiges: Georg Neuhauser von der Lehrerinitiative Cool hofft deshalb, „dass wir zukünftig das nötige Geld dafür auch erhalten.“

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