Jeder Vorname ein Unikat

Winnetou: Ein Vorname, der in Deutschland real und in Österreich völlig undenkbar ist.
Eine Schweizer Agentur, die Firmen- und Produktnamen kreiert, bietet an, einzigartige Vornamen für Kinder zu finden. Dürfen die das?
Von Uwe Mauch

Aufregung! Eine Schweizer Agentur, die Firmen- und Produktnamen kreiert, bietet allen Ernstes an, einzigartige Vornamen für Kinder zu finden. "Die Namen sollen perfekt zur Familiengeschichte passen und darüber hinaus auch zum ersten Mal vergeben werden", erklärt Agenturchef Marc Hauser.

Binnen sechs Wochen würden seine Texter bis zu 50 Vorschläge unterbreiten, bei der Auswahl beraten und die ausgewählten Namen rechtlich und historisch abtesten. Hundert Arbeitsstunden will Hauser dafür in Rechnung stellen. Woraus er einen Preis von knapp 25.000 Euro pro Name ableitet.

Keine Erfolgswelle

Nun hagelt es Giftpfeile: Viel zu teuer! Nur für Neureiche leistbar! Werfen die einen ein. Die Wahl des Kindesnamens ist ursächlich eine Angelegenheit in der Familie! Kritisieren andere.

Marc Hauser, der seine Agentur Erfolgswelle nennt, zeigt sich überrascht von der Heftigkeit der Reaktionen. Der Wiener Sprachforscher Hans Christian Luschützky reagiert dagegen gelassen. Er zitiert das in Österreich geltende Personenstandsgesetz. Demzufolge müssen Vornamen gebräuchlich sein – und dürfen auch nicht dem Wohl des Kindes abträglich sein. Damit sei wohl klar, dass das vor wenigen Tagen erstmals öffentlich gemachte Angebot der Markenagentur, die in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland tätig ist, hierzulande keine Abnehmer finden wird.

Einzigartige Namen

Luschützky, der am Germanistik-Institut der Uni Wien arbeitet, führt aus: "Wenn neue Namen beantragt werden, ist das bei uns gesetzeswidrig." Ginge daher bei keinem Standesamt durch.

Der Germanist gilt in Österreich als Experte für Namensrecht. Seit einem Vierteljahrhundert wird er im Zweifelsfall von österreichischen Standesbeamten um seine Expertise gebeten. Bis dato hat er mehr als 500 Gutachten erstellt.

Vom Timofi ohne y

Darf ein Bub Timofi mit i am Wortende heißen? Luschützky nickt, er gab den Eltern recht. "Weil das phonetisch kein neuer Name ist, sondern nur eine eigene Schreibversion." Der Sprachexperte ist froh, dass er sich nur sehr selten gegen einen Namenswunsch aussprechen muss. Yannis-Caspar-Noel-Sisyphos wollte er nicht durchgehen lassen: "Weil die Anhäufung von Namen nichts bringt." Nur eine Sisyphus-Schreibarbeit für den Namensträger. Auch kein O. K. gab es für die Fantasy-Namen Chrisjen (für einen Buben) sowie Pershia und Guga (für Mädchen).

Sie heißt Pepsi-Carola

Mehr Arbeit mit Vornamen hat Luschützkys deutsche Kollegin Gabriele Rodriguez vom Namenkundlichen Zentrum der Universität Leipzig. Bei ihr gehen Jahr für Jahr 3000 Anfragen ein, und die sind weniger harmlos als die österreichischen.

Das deutsche Recht ist in der Praxis liberaler als das österreichische. Deshalb darf es in ihrer Heimat Menschen geben, die laut Geburtsurkunde Winnetou Kampmann, Philipp Pumuckl Heßler, Pepsi-Carola Krohn, Schneewittchen, Tarzan oder Shakira heißen.

Die Eltern von Pepsi-Carola Krohn, Jahrgang 1959, erhielten laut eines Berichts der Deutschen Presseagentur 10.000 Mark vom Limonadenkonzern. Immerhin, dem Vornamen Pepsi-Cola wollten die westdeutschen Beamten nicht zustimmen. Die Kinder würden sie manchmal Sprite oder Fanta rufen, erzählt die Hamburgerin. Aber das störe sie nicht. Ihre Eltern hätten ihr nichts angetan, im Gegenteil, ihr Name sei doch etwas Besonderes: "Damit bleibe ich immer in Erinnerung."

Rodriguez wird aus ganz Deutschland und auch aus Österreich um ein Gutachten gebeten. "Es gibt einen Langzeittrend zur Vielfalt", ist sie sich mit ihrem Wiener Kollegen einig. Zudem sei die Vornamensgebung Moden unterworfen: Waren typisch englische Vornamen in der DDR bei Familien der gebildeten Oberschicht beliebt, um damit die eigene Weltoffenheit zu demonstrieren, zog der arme Kevin und mit ihm im Schlepptau die Jacqueline nach der Wende 1989 in den Plattenbauten an der Peripherie ein – die beiden wurden so zum Synonym für Bildungsferne. Aktuell registriert die Leipziger Germanistin einen Retro-Trend, auch für Österreich.

Zufrieden zeigt sich indes der Berliner Kieferorthopäde Kampmann: "Winnetou ist ein stolzer Name." Deshalb nannte er auch seinen Sohn wie den Häuptling der Apachen. Der fand das weniger lustig. Und taufte sich um. Er heißt jetzt übrigens Willi.

Die Schauspielerin Gwyneth Paltrow und der Sänger Chris Martin haben ihre Tochter Apple getauft. Die Tochter des U2-Sängers The Edge wird Blue Angel gerufen, der Sohn des deutschen Schauspielers Uwe Ochsenknecht Jimi Blue. Auch nicht von schlechten Eltern: Don Hugo, der Sohn der deutschen Schwimmerin Franziska von Almsick; Michael, die Tochter (!) des Sängers Sting; Poppy Honey, die Tochter des TV-Kochs Jamie Oliver.

Offen ist jetzt noch, wie Brooklyn, Sohn der Sängerin Victoria und des Fußballers David Beckham, heißen würde, wäre er in Niederösterreich geboren: Bruckneusiedl? Und wie müsste ein Sohn des österreichischen Vizekanzlers heißen, der den Couleurnamen Django trägt: Wyatt Earp Mitterlehner?

Markennamen

Jeder Vorname ein Unikat
Marc Hauser

Eigentlich ist der Eidgenosse Marc Hauser (im Bild) ein Spezialist für Marken- und Produktnamen. Seit zwölf Jahren entwickelt er für namhafte Firmen im deutschsprachigen Raum Namen und Slogans.

Vornamen

Im Vorjahr wurde Hauser gefragt, ob seine Werbetexter für ein Kind einen Vornamen erarbeiten könnten. Hauser lehnte zunächst ab, um dann ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Sein Service ist nicht billig: knapp 25.000 Euro. Und darüber hinaus umstritten.

Kommentare