Glücklich alleine daheim

Bildnummer: 34088334 Hund, Spielzeug
Erziehungssache: Hunde sind am liebsten beim Rudel. Sie können aber lernen, bis zu sechs Stunden pro Tag ohne Gesellschaft auszukommen

Die Bulldogge von nebenan ist ständig allein. Und tut ihre Einsamkeit lautstark kund. Sie bellt und winselt, sie jault und kläfft – zum Leidwesen der Nachbarn. Den Besitzern ist das egal, sie sind nämlich gar nicht da.
„Hunde sind Rudeltiere und am liebsten beim Menschen“, sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn weiß aber auch, dass ein Rund-um-die-Uhr-Zusammensein von Zwei- und Vierbeinern meist unmöglich ist. Sie gibt Tipps, wie Hunde das Alleinbleiben lernen können, und unter welchen Bedingungen sie die Herausforderung meistern.
Hunde sind soziale Tiere. Sie lieben das Leben in Gesellschaft. Kurze Zeit können sie auch ohne Artgenossen und Halter auskommen. Doch: „Man soll ausgewachsene Hunde nie mehr als sechs Stunden am Tag alleine lassen“, sagt Schratter. Nicht, dass der Vierbeiner dann unbedingt raus muss, um sich zu erleichtern und seinen Bewegungsdrang zu befriedigen. Es fehlen ihm die Streicheleinheiten für die Psyche: Ansprache, Vertrautheit, gemeinschaftliche Umtriebigkeit. Auch ein Garten ersetzt den Kontakt nicht.
„Hunde werden am besten vom Welpenalter an ans Alleinsein gewöhnt“, sagt die Expertin. Hat sich das Jungtier nach zwei Wochen im neuen Zuhause eingelebt, kann das Training beginnen. Die Übung gelingt am besten in kleinen Schritten: Zuerst verlässt der Besitzer kommentarlos den Raum, um nach ein paar Minuten wiederzukehren. Später geht er kurz ohne Gruß außer Haus. Wenn der Hund selbst müde von einem ausgedehnten Spaziergang, vom Fressen oder von ausgelassenem Spiel ist, fällt ihm die Abwesenheit des Besitzers mitunter gar nicht auf. Ein gemütlicher Liegeplatz hilft ihm zudem, das Rundherum zu vergessen. Oder zu verschlafen. Bei Erfolg werden die Etappen ausgedehnt. Junge Tiere bis zu sechs Monate sollen trotzdem nie länger als zwei Stunden allein daheim sein, nicht zuletzt weil sie sich öfter lösen müssen.

Austricksen

Hunde reagieren stark auf Schlüsselreize. In die Schuhe schlüpfen, Mantel anziehen, Tasche nehmen signalisieren dem Tier Aufbruchstimmung und können es in Unruhe versetzen. Geld und Telefon einstecken, Weste überziehen, sich dann aber zum Fernsehen setzen oder Kaffee kochen, verhindern die Konditionierung. „Ihr Kommen und Gehen muss selbstverständlich werden“, rät der KURIER-Tiercoach: „Thematisieren Sie weder das eine noch das andere.“ Große Szenen beim Verabschieden und überschwängliches Begrüßen bekräftigen nur die Aufregung.
Heult der Vierbeiner in Abwesenheit des Halters heißt es für Zweibeiner, konsequent zu bleiben. Wird das Winseln nämlich nicht ignoriert, bringt der Hund sein Bellen und die Rückkehr des Herrls in direkten Zusammenhang. Die Lektion vergisst er nicht so schnell. Halter sollen erst reagieren, wenn sich der Hund beruhigt hat. Leckerlis und Zuwendung können dann Belohnung sein. „Sitzt der Hund da und jault, ist das Trennungsangst. Heult er und zerlegt dabei die Wohnung, leidet er unter Kontrollverlust“, erklärt Schratter. Ein Loch im Patschen, ein zerfetztes Sofa zeugen von Ärger. Das Alpha-Tier will die Strukturänderung im Rudel nicht hinnehmen. Bei dieser Kraftprobe muss der Zweibeiner zeigen, dass er der Chef im Haus ist. Erziehung schafft die gewünschte Hierarchie.

Melder

Bellt ein Hund ohne Gesellschaft immer wieder, weil er als Wächter meldet, muss er aus dem Eingangsbereich gelockt werden. Ein wohliger Liegeplatz im Zimmer kann den Kontrollzwang durchbrechen.
„Hunde können das Alleinsein lernen“, fasst Schratter zusammen. Der KURIER-Tiercoach warnt aber auch: „Werden die Rudeltiere oft und lange alleine gelassen, können sie Verhaltensauffälligkeiten entwickeln.“

Hunde können ein Viertel des Tages alleine verbringen, dann wird den Rudeltieren die Einsamkeit unerträglich. Zur Überbrückung von längeren Wartezeiten bieten sich Hundesitter an, sie übernehmen zeitweise die Betreuung des Heimtieres. „Da ist ein großer Geschäftszweig entstanden“, sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter und hilft, die richtige Wahl in Sachen Obhut zu treffen.
Die besten Hundesitter sind Freunde oder Nachbarn. Aber auch professionelle Dogsitter und Gassi-Geher können sich dazu entwickeln. Zwei- wie Vierbeiner müssen dem neuen Rudelmitglied uneingeschränkt vertrauen können. Erst recht, wenn der Sitter einen Wohnungsschlüssel bekommt und den Hund in dessen eigenen vier Wänden beaufsichtigt.
„Beobachten Sie genau, wie der Sitter auf Ihren Hund zu- und eingeht“, rät die Expertin: „Sie müssen merken, dass der Hund geliebt wird.“ Und umgekehrt: Geht der Vierbeiner beim zehnten Mal immer noch nicht freiwillig mit, muss ein anderer Betreuer gesucht werden.
Über die Frage der Tierliebe hinaus, gilt es, Pragmatisches zu klären: Wie viele Hunde versorgt der Sitter gleichzeitig? Hat er eine Vertretung im Krankheitsfall? Wie lange übt er den Job bereits aus? Was qualifiziert ihn? Interessieren ihn Gewohnheiten des Haustieres? Was tut er im Notfall? Erledigt er auch Tierarztbesuche? Verlangt er einen Impfpass? Wenn alles zufriedenstellend beantwortet ist, beginnt die Schnupperphase. Schratter: „Der Hund soll Zeit bekommen, sich an den Sitter zu gewöhnen.“
Diese Zeit braucht der Vierbeiner auch, wenn sein Besitzer nur Dogwalking-Dienste in Anspruch nimmt. Dann beschränkt sich die Arbeit des Profis aufs Ausführen. „Mit mehr als drei Hunden auf einmal Gassi-Gehen ist verantwortungslos“, sagt der KURIER-Tiercoach. Der Sitter muss schließlich die Kontrolle über die Tiere behalten. Besitzer sollen in dem Fall vor allem überlegen, ob Artgenossen für den eigenen Liebling eine Bereicherung sind, oder ob der Hund vom Wesen her eine Einzelbetreuung braucht.

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