Tag der Jogginghose: Probier's mal mit Gemütlichkeit

An 21. Jänner ist die Trainingshose gesellschaftsfähig.
Dank der ungewöhnlichen Idee von vier Grazer Schülern bleibt der Anzug am 21. Jänner im Kasten.

Sie ist so etwas wie die Olive der Mode: höchst umstritten. Manche halten es keinen Abend ohne sie aus, anderen behaupten gar, sie gefährde Ehen – zwischen Liebe und Hass ist nicht viel Platz. Nicht einmal Karl Lagerfeld, sonst für seine einzementierten Meinungen bekannt, kann sich entscheiden: 2012 unterstellte er Jogginghosen-Trägern in einer Talkshow, sie hätten die Kontrolle über ihr Leben verloren; zwei Jahre später schickte er seine Models – darunter Ober-Muse Cara Delevingne – in verdächtig legeren Beinkleidern mit Bündchen und Sneakers über den Pariser Catwalk. Da soll sich noch einer auskennen.

Matthias Geisriegler dürfte es ziemlich egal sein, was Monsieur Lagerfeld so von sich gibt. Der 22-jährige Grazer liebt seine Trainingshosen und macht auch kein Geheimnis daraus – im Gegenteil. Gemeinsam mit drei Schulkollegen rief er vor sieben Jahren den "Internationalen Jogginghosentag" ins Leben, der heute weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Dabei sollte es am Anfang nur ein harmloser Faschingsgag werden.

Tag der Jogginghose: Probier's mal mit Gemütlichkeit
Jogginghosentag

Virales Event

"Wir dachten, es wäre cool, wenn die ganze Klasse am Faschingsdienstag mit Jogginghose in die Schule kommen würde. Das war dann so bequem, dass wir beschlossen, die Aktion im Jahr darauf zu wiederholen."

Weil der Faschingsdienstag im Jahr 2010 in die Semesterferien fiel, verlegten die vier ihren Tag auf den 21. Jänner, der gleichzeitig der Geburtstag einer der Burschen ist. Der "Internationale Jogginghosentag" – damals noch eher national bzw. regional – war geboren. Zur Freude der Klasse: "Unter diesem Vorwand kamen wir jedes Jahr am 21. Jänner in Jogginghosen zur Schule."

Facebook

Die Idee breitete sich rasch aus. Geisriegler, der mittlerweile Informationsmanagement studiert, erstellte eine Facebook-Veranstaltung und lud alle seine Freunde ein, die wiederum alle ihre Freunde einluden. "Im Endeffekt hatten wir mehr als 130.000 Zusagen. 2011 waren es sogar 600.000 Zusagen aus mehr als 50 Ländern."

Seitdem seien die Facebook-Zusagen – jedes Jahr wird eine neue Veranstaltung am 21. Jänner erstellt, die zum öffentlichen Jogginghosentragen in Schule, Büro und Uni aufruft – zwar zurückgegangen; das liegt laut Geisriegler aber vor allem daran, "dass Facebook nicht mehr so angesagt ist und es unzählige Kopien unserer Veranstaltung gibt".

Wikipedia

Das Medieninteresse sei aber nach wie vor "sehr groß", erzählt der Student. Viele Lokale und Kaufhäuser sind mit Aktionen und Gewinnspielen auf die temporäre Kleiderordnung aufgesprungen, in Deutschland findet jährlich ein "Jogginghosenlauf" statt. Denn, was viele vergessen: In Jogginghosen kann man auch joggen.

Sieben Jahre nach ihrer Entstehung hat es die Idee in diverse Kalender und die Wikipedia-Liste der Gedenk- und Aktionstage geschafft. "Vor allem aber in die Köpfe der Leute", sagt Matthias Geisriegler, der den Trend zur modischen Jogginghose und zum "Casual Style" ebenfalls auf "seinen" Aktionstag zurückführt. "Wir behaupten mal, wir seien schuld daran", sagt er mit einem Augenzwinkern. "Jedenfalls ist es kein Wunder: Jogginghosen sind bequem, zeitlos und passen zu allem."

Ihren heutigen Feiertag werden die vier Studenten zwar getrennt voneinander verbringen (Stichwort: Prüfungszeit) – aber mit Sicherheit in ihren geliebten Jogginghosen.

Schon in den 1950er-Jahren sehnten sich die Menschen nach mehr Komfort im Büro. In dieser Zeit entstand der „Casual Friday“ (zu Deutsch etwa „zwangloser Freitag“), der Tag, an dem Angestellte Hemd gegen Poloshirt tauschen und die Krawatte zu Hause lassen dürfen. Weite Hosen aus Baumwolle oder Jersey mit Gummibund waren lange Zeit Sportlern und Rappern vorbehalten – ab den Neunzigern zeigten sich immer mehr Stars, darunter Madonna oder Paris Hilton, öffentlich in Trainingshosen.

Aus dem Bedürfnis nach mehr Tragekomfort und dem Hype um einen gesunden Lebensstil entwickelte sich in den vergangenen Jahren der Modetrend „Athleisure“, eine Mischung aus „Athletic“ und „Leisure“, dem englischen Wort für „Freizeit“. Top-Designer wie Stella McCartney entwarfen ganze Kollektionen mit Sporthosen und bequemen Schuhen – allerdings nicht für die Turnhalle, sondern für die Straße.
Tag der Jogginghose: Probier's mal mit Gemütlichkeit
A model presents a creation by German designer Karl Lagerfeld as part of his Fall/Winter 2014-2015 women's ready-to-wear collection for French fashion house Chanel at the Grand Palais transformed into a "Chanel Shopping Center" during Paris Fashion Week March 4, 2014. REUTERS/Benoit Tessier (FRANCE - Tags: FASHION)
Auch Gucci und Marc Jacobs zeigten bei ihren Schauen Luxusvarianten der Jogginghose. Und sogar Chanel-Chef Karl Lagerfeld, der aus seinem leidenschaftlichen Jogginghosen-Hass bis dato kein Hehl gemacht hatte, überraschte vergangenes Jahr in Paris mit einer sportlichen Ready-to-wear-Kollektion, die Turnschuhe und gemütliche Pumphosen beinhaltete – immerhin nicht aus Jersey, sondern aus Tweed.
Tag der Jogginghose: Probier's mal mit Gemütlichkeit
epa04305457 A model presents a creation from the Spring/Summer 2015 collection of label C'est Tout Ce'nou at the Mercedes-Benz Fashion Week in Berlin, Germany, 08 July 2014. The event runs from 08 to 11 July. EPA/SOEREN STACHE
  • Die Geschichte der Jogginghose begann in den 1970er-Jahren. Die ersten Träger der festen Glanznylon-Jersey-Teile waren Sportler. Erst in den 1980er-Jahren etablierten sich blousonartige Oberteile und die Pumphosen-Form aus Baumwolle. Ab den 1990er-Jahren trugen vor allem Rapper die elastischen Hosen.
  • 2014 moderierte ORF-Anchorman Armin Wolf in knallgelber Wohlfühl-Hose, Adiletten und weißen Socken die ZiB 2. Natürlich am „Internationalen Jogginghosentag“.
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    /Screenshot ORF/YouTube
    Screenshot/YouTube, Armin Wolf, ZiB2 im Jogger…
    Screenshot/YouTube, Armin Wolf, ZiB2 im Jogger
  • 2014 benutzte ein Kanadier seine Jogginghose als Terrarium. „Unregelmäßige Wölbungen“ in seiner weiten Hose kamen US-Polizisten verdächtig vor. Bei einer Kontrolle an der Grenze fanden sie den Grund dafür: Der 27-Jährige hatte sich 51 lebende Schildkröten an den Körper geklebt. Er wollte die in den USA gekauften Tiere von Kanada aus nach China verkaufen, was ihm mehr Geld eingebracht hätte. Der Trick flog allerdings auf und brachte ihm eine Strafe ein.
  • 2015 kam eine Schule im schwäbischen Schwieberdingen aufgrund von Jogginghosen in die Schlagzeilen. Dort riet die Schulleitung den Schülern davon ab, Jogginghosen zu tragen. „Wir sind uns mit den Eltern einig, dass die Jogginghose keine angemessene Kleidung zum Lernen ist“, sagte Direktorin Ilse Riedl. Sie will ihren Schülern damit Rüstzeug fürs Leben mitgeben und hält sich an die Worte von Modestar Karl Lagerfeld: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“.

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