Die gute Nachricht: Das Schlimmste ist geschafft. Rund zwei Wochen vor dem Wettbewerb, ist es an der Zeit, Trainingsumfang und -intensität zurückzufahren. Beim sogenannten „Tapering“ (dt. „Zuspitzen“) wird dem Körper Erholung vor dem großen Tag gegönnt. Die schlechte Nachricht: Wer Trainingseinheiten versäumt hat – sei es wegen Verletzungen, Krankheit oder Schlechtwetter – kann diese nicht mehr nachholen. Was der Körper jetzt nicht kann, wird er auch in den nächsten Tagen nicht mehr lernen.
„Einer der größten Fehler ist, das Training zu lange in Richtung Wettkampf hinzuziehen“, bestätigt Michael Koller. Der Sportwissenschafter und Lauftrainer ist beim VCM Medical Center für die gesundheitlichen Probleme der Läuferinnen und Läufer zuständig. Immer wieder sehe er „Überlastungen, die erst kurz vor dem Wettkampf durch intensive Einheiten in den letzten Tagen aufgetreten sind“. Aber ab wann ist der richtige Zeitpunkt, um die Füße hochzulegen?
Kurze Läufe
„Das kommt auf die Distanz und den Trainingsplan an“, erklärt die Lauf- und Mentaltrainerin Helena Schnabl-Aydogmus. Als Faustregel gilt: Je länger die Wettkampfdistanz, desto länger das Tapering. Zwei Wochen vor dem Marathon sollte das Training zwischen 50 und 70 Prozent, in der Marathonwoche nur mehr 30 Prozent des regulären Pensums ausmachen. Die Tage zwei und drei vor dem Marathon bleiben lauffrei. Am Samstag, dem letzten Tag vor dem VCM, kann ein kurzer Lauf absolviert werden, empfehlen die Experten der Wiener Sportordination. „30 Minuten und ein kurzer Steigerungslauf ins Marathonrenntempo reicht aber völlig aus, um den Körper wach zu rütteln.“
Wachgerüttelt werden muss bei dem ein oder anderen in der letzten Trainingsphase auch der Kampfgeist. Denn Tapering bedeutet für die Läufer nicht nur eine körperliche Umstellung, sondern auch eine mentale. Wenn nach Wochen und Monaten des harten Trainings plötzlich der Endorphin-Kick nach den langen Trainings fehlt, verfällt so mancher in eine „Taper Madness“ oder „Taper Anxiety“.
„In der Vorbereitung investiert man sehr viel Zeit in das Training und plötzlich hat man weniger zu tun. Da entsteht dann diese Angst, die auch viele Profisportler haben“, weiß Schnabl-Aydogmus. Aber: „Man muss darauf vertrauen, dass der Trainingsplan, den man bis jetzt verfolgt hat, aufgeht – und dass der Körper das auch schafft.“
Ansonsten gilt in den letzten 14 Tagen: Zucker- und fettreiche Lebensmittel und Alkohol sind zu vermeiden, der Körper muss täglich mit genügend Flüssigkeit versorgt werden. Auch ausreichend Schlaf ist wichtig, erinnert Schnabl-Aydogmus. „Gewöhnen Sie Ihren Körper an die Startzeit des Laufes. Verlegen Sie die Trainingsläufe falls möglich genau auf diese Startzeit und stellen Sie den Wecker nach der Aufwachzeit am Tag X.“
Spätestens in der letzten Woche geht es dann an den organisatorische Feinschliff: Wo an der Strecke sind die Labestationen? Wo warten Freunde und Familie mit Verpflegung? Außerdem: Was kommt auf die Packliste? Brauche ich den ganzen Schlüsselbund oder reicht der Haustürschlüssel? Das ganze Geldbörserl oder nur ein paar Scheine? Wie wird das Wetter – und dementsprechend die Ausstattung?
„Die Schuhe sollten schon mindestens 100 km eingelaufen sein“, betont die Lauftrainerin. Anstatt frisch gewaschener Socken empfiehlt sie für den Wettbewerb Sportsocken, die bereits einmal getragen wurden. Das soll gegen Blasen helfen. Ein bis zwei Tage vor dem Lauf sollte man die Zehennägel schneiden. Und dann natürlich: sich bei aller Vorbereitung auf den Lauf freuen. „Gerade beim VCM sind so viele Leute vor Ort, die einen anfeuern. Das ist wirklich ein tolles Erlebnis“, weiß Schnabl-Aydogmus. „Pure Vorfreude“, begleitet auch Markus Freistätter im Endspurt.
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