Von faszinierenden, unsterblichen Quallen

Wo soll man in einem Land ohne eigenen Meerzugang einen Menschen treffen, der sich für Quallen begeistert und über dieses Wunderwerk der Natur ein Buch verfasst hat? Man trifft ihn im „Haus des Meeres“ in Wien 6.

„Mich faszinieren Quallen“, eröffnet Michael Stavarič im zweiten Stock des modern umfunktionierten ehemaligen Flakturms. In ihrem Aquarium lassen sich Dutzende weiß-durchsichtige Nesseltiere von der Strömung treiben.

Der Autor des mit Liebe gestalteten Buchs Faszination Qualle beobachtet sie mit den Augen eines Menschen, der wirklich beeindruckt ist. Er ist dabei weit entfernt von einem Thalassophoben, also einem Zeitgenossen, der sofort alle Zustände bekommt, wenn er nur das Wort „Qualle“ hört.

Im Wasser ...

Michael Stavarič ist ein Kind der Tschechoslowakei. 1972 in Brünn geboren, standen ihm in der Kindheit nicht alle Weltmeere offen. Das Regime der ČSSR ließ seine Eltern, ihn und die drei Jahre jüngere Schwester wenigstens an die seinerzeit jugoslawische Adria reisen. „In einem Ort südlich von Split habe ich mehrere Meeresbewohner kennen und wohl auch schätzen gelernt.“

Gemeinsam mit seiner Mutter, einer Modedesignerin mit einem Händchen für das schöne Zeichnen, hat er auch Quallen aufgemalt. „Weil die nicht so schwer waren.“ Heute ist er ihr großer Fan. Auf 144 Buchseiten hat er seine Bewunderung in schöne, leicht verständliche Sätze gekleidet.

Im „Haus des Meeres“ sagt Michael Stavarič: „Quallen sind besondere Lebewesen. Sie haben kein Herz, kein Hirn, keine Lunge.“ Und es gibt Meeresbiologen, die sie „organisiertes Wasser“ nennen.

Kein anderes Lebewesen besteht so wie manche Qualle aus 99 Prozent Wasser. Es gibt auch so viele Unterarten, dass selbst Experten der Überblick über die Quallenpopulationen fehlt. Spätestens jetzt ist unser Quallologe endgültig abgetaucht in seiner Meereswelt: „Bemerkenswert ist außerdem, dass sie zu den giftigsten Lebewesen auf der Erde zählen. Oder dass es Arten wie die Staatsqualle gibt, die sich wie die Insekten organisieren.“ Gemeinsam hätten sie schon Flugzeugträger und Atomkraftwerke lahmgelegt. „Welches Tier kann das noch von sich behaupten?“

Michael Stavarič nützte seine Chance. Nach der HAK-Matura war er fünf Jahre lang persönlicher Sekretär des zu Lebzeiten schon legendären tschechischen Botschafters in Österreich Jiří Gruša. Der war vor seiner Zeit als Diplomat Dichter und Dissident. „Ich habe seine Korrespondenz betreut und durfte am Ende auch seine Reden schreiben. Er hat mich sehr beeindruckt.“

Lange bevor die meisten Menschen in Österreich Inlineskating richtig buchstabieren konnten, ließ er sich („Ich habe als Kind gerne Eishockey gespielt“) zum Inline-Instruktor ausbilden. Gerne erinnert er sich: „Ich habe damals Kurse mit 100 Teilnehmern geleitet.“ Seit 2006 schreibt er Bücher, noch nicht 100, aber auch schon 30.

Für immer auf der Welt

Besonders imponiert Michael Stavarič die „Unsterbliche Qualle“, von den Lateinern Turritopsis dohrnii genannt. „Weil sie sich immer wieder regenerieren kann.“ Allen, die noch immer skeptisch sind, will er gesagt haben: „Wird sie nicht gefressen, dann ist sie in der Tat ein unsterbliches Lebewesen auf unserem Planeten. Wenn das nicht beachtlich ist, dann weiß ich auch nicht.“