Und dann kam Billy: 45 Jahre "Ikea-Effekt" in Österreich
Es war einmal eine Wohnwand: dunkle Eiche, massiv und schwer, in der Mitte Platz für den Fernseher, links und rechts Vitrinentüren, die das gute Kaffeegeschirr vor Staub schützten. Jahrzehntelang prägte dieses Bild die Wohnzimmer des Landes. Bis am 1. September 1977 die erste österreichische Ikea-Filiale in der Shopping City Süd in Vösendorf bei Wien ihre Pforten öffnete.
So hielt das helle, leichte Bücherregal Billy – bis 1979 Tiga genannt – Einzug in die heimischen Häuser. Und mit ihm ein neues Gefühl für Einrichtung, Design und skandinavisch geprägtes Einkaufserlebnis. Kunden gewöhnten sich daran, mit „Du“ und „Hej“ angesprochen zu werden und den Möbelkauf mit einem Lachs-Frühstück zu verbinden. „Ikea hat es möglich gemacht, dass man modernes Design zu günstigen Preisen bekommt. Man könnte das als ‚soziales Design‘ bezeichnen“, sagte Josefa Haselböck vom Hofmobiliendepot anlässlich des Todes von Ikea-Gründer Ingvar Kamprad im KURIER.
Als der knausrige Kamprad beschloss, seine Möbel von den Kunden aufbauen zu lassen, ahnte er nicht, dass er damit einen Grundstein für den Erfolg legte. Denn: Wer seinen Esstisch selber zusammenschraubt, bringt diesem eine höhere Wertschätzung entgegen. Der „Ikea-Effekt“ wurde 2009 vom Wirtschaftswissenschaftler Michael Norton nachgewiesen und hat heute einen eigenen Wikipedia-Eintrag.
Das achte „Hus“
Krisen und Kritiken – Stichwort: Billigware und Wegwerfgesellschaft – konnten dem Ikea-Hype bisher wenig anhaben. Dank neuer Häuslichkeit während der Lockdowns überstand das Unternehmen sogar die Corona-Pandemie ohne finanzielle Einschnitte. Im Herbst 2021 öffnete am Wiener Westbahnhof das achte Ikea-Einrichtungshaus in Österreich. Für das Schweden-Erlebnis von Ivar bis Klippan muss man seitdem nicht einmal mehr in die Peripherie reisen.
Ein Bällchen wie ein Bücherregal
Zusammenessen. Die erste Entscheidung fällt am Eingang. Ab ins Bistro mit der schwedischen Interpretation des Hotdogs – bröselige Brötchen, kerzengerade Frankfurter, Ketchup zum Selberpumpen – oder rauf ins Restaurant? Ikea ist auch eine kulinarische Kampfzone.
Aficionados kommen an Köttbullar nicht vorbei. Der Möbelgigant prägt mit den Fleischbällchen das Bild, das die Welt von schwedischer Kulinarik hat. (Bloß, dass das „K“ als „Sch“ gesprochen wird, ist schwer vermittelbar.) Ihr Erfolg liegt in der Massentauglichkeit. Nichts überrascht den Gaumen, nichts kitzelt die Geschmacksnerven. Dafür sorgt auch die bräunliche Schlagobers-Sauce, die den letzten Geschmacksimpuls tötet. Perfekte Massenware. Ein kulinarisches Billy, quasi.
Apropos: Auch Köttbullar kann man sich selbst bauen. Ikea hat die Bällchen zum Mitnehmen in den Kühltruhen. Selber nachkochen? Lieber nicht. Köttbullar schmecken dort, wo sie hingehören – im Möbelhaus-Restaurant. Immerhin rundet nur da ein Prinzessinnentörtchen das Erlebnis ab.
Christoph Schwarz
Ein Ikea-Bett trotzt jeder Krise
Zusammenleben. Wenn du in die neue Wohnung deiner Freunde kommst und dein erster Satz „Oh, ihr habt auch Kivik!“ lautet, weißt du: Du hast in deinem Leben viel, vielleicht zu viel Zeit bei Ikea verbracht. Rückblickend stehen die Ikea-Besuche stellvertretend für die großen Beziehungsmeilensteine. Das begann im Alter von 15 mit dem Kauf des ersten Betts, in dem theoretisch eine zweite (männliche) Person Platz hatte. Blöderweise trug das Möbelstück den Namen „Vanvik“ und weckte in dem besorgten Vater, der das Teil heimschleppen und zusammenbauen musste, schauderhafte Assoziationen.
In den Jahren danach folgten Glücksgefühle beim Einrichten der ersten Pärchenwohnung und obligatorische Krisen zwischen Duftkerzen und Lagerhalle. (Psychologen warnen inzwischen vor dem Konfliktpotenzial des Ikea-Pärchen-Bummels.)
Jedenfalls: Wenn eine Beziehung scheitert, ist es gut, wenn im Haus der Eltern ein leeres Jugendbett auf einen wartet. Vanvik wurde zwar wider Willen auf-, zum Glück aber nie wieder abgebaut.
Julia Pfligl
Eine Schraube locker? Kein Problem
Zusammenbauen. Billy hinterließ ein Trauma. „Da halt das fest. Schnell“, schrie der Jugendfreund. „Ich brauch eine große Schraube.“ Es war die kleine und das Regal zu schwer. Krach. Nie wieder Ikea, war der Gedanke. Falsch gedacht.
Vangsta brachte kleine Herausforderungen und einen großen Muskelkater mit sich. Weil man sich eingebildet hat, den Tisch alleine aufzubauen. Obwohl zwei Strichmännchen in der Anleitung abgebildet waren. Die Teile ließen sich nicht alle auf einmal halten. Und der Fauteuil als Ablagefläche ersetzte den Helfer nicht. Selber schuld.
Nordli ging besser. Wer zehn Kommoden zusammengeschraubt hat, kennt den Bauplan auswendig. Aber nur fast: Schritt 10 bis 12 wiederholen! Eine Schraube ist immer noch locker. Auch kein Problem.
Jetzt muss es ein Barwagen (nicht von Ikea) sein. Die Anleitung lässt Fragen offen. Ahhh. Haben die Hersteller die Strichmännchen vergessen? Und die Glasplatte passt nicht rein. Zurück zum Start. Wo bitte ist Billy?
Katharina Salzer
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