Kein Dogmatiker
„Geh’ kurz in den Wiegetritt“, rät Cristian Gemmato dann auf einem der wenigen nicht wirklich steilen Auffahrten auf der Donauinsel. Und Raten ist hier das richtige Verbum. Der Südtiroler, der die Alpen bis hin zur Pannonischen Tiefebene aus der Fahrradlenker-Perspektive kennt, ist kein Dogmatiker.
Er würde auch nie sagen, dass der Schüler falsch auf dem Rennrad sitzt. Er bietet nur an, es mit einer etwas anderen Position zu probieren. Dazu ist zu sagen: Oft entscheiden Millimeter über Kreuz- oder Knieweh oder aber Freude und Effizienz beim Rennradfahren.
„Es geht um das Einswerden mit meinem Fahrrad“, erklärt einer, der in seinem Brotberuf viel darüber nachdenkt, wie sich Unternehmen besser vermarkten können. Doch im Kern stimmt auch diese Botschaft: Je vertrauter das Fahrrad, je besser es sein Herr oder seine Frau im Griff hat, umso mehr bereitet es Freude.
Eins werden mit ihrem Rennrad können auch nur die, die nicht mit hochrotem Kopf, zu hohem Puls und verbissener Miene an der Gegend vorbeifahren, ohne diese annähernd wahrzunehmen. Cristian Gemmato hat für sich nach einer Ausbildung beim Österreichischen Radsport-Verband entschieden, nicht andere zu trainieren, um sie schneller zu machen. Er setzt viel mehr auf den Erlebnis- und Gesundheitsfaktor bei gemeinsamen Ausfahrten.
Auf die Frage, was er Rookies in seinen Workshops rät, antwortet der Rennradpädagoge unter anderem: „Rechtzeitig essen und trinken. Ich muss mir dann Energie zuführen, wenn ich noch keinen Hunger habe, um den gefürchteten Hungerast zu verhindern. Und ich sollte in der wärmeren Jahreszeit einen halben Liter pro Stunde trinken.“
Natürlich ist das jetzt Werbung, aber es hilft nix, weil es ja auch viele andere so sagen: „Am Liebsten esse ich unterwegs Manner-Schnitten.“
Nun wieder volle Konzentration auf den Vordermann! „Wichtig“, gibt dieser nach hinten weiter, „ist auch, auf alle anderen Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Man kann auf seinen gesetzlich verankerten Vorrang natürlich bestehen. Das Problem ist nur, wenn der Fahrer im Auto das Gesetz nicht kennt.“
Allzu vorsichtigen Radfahrern auf Landstraßen rät der Profi, nicht zu weit rechts zu fahren, um damit Autofahrern zu signalisieren, dass sie vorsichtiger und bitte auch mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand von eineinhalb Metern überholen sollten.
Viel Landschaft fliegt an einem auf dem Rennrad vorbei, aufgrund der höheren Geschwindigkeit noch mehr als auf einem Alltagsrad. Und ja, man kann auf so einem Renner sogar ein Interview führen – ohne Bleistift und Aufnahmegerät wohl, aber das wirklich Entscheidende geht unterwegs niemals verloren.
Für das große Lexikon des unnützen Wissens bestimmt ist am Ende des Tages auch der nette Gruß, den Rennradler wie Cristian Gemmato gerne bemühen: Mit „Kette rechts“, feuern sie sich gegenseitig an. Wer so schaltet, dass seine Kette vorne über das große Kettenblatt und hinten über das kleinste Ritzel läuft, der schafft damit bei jeder Kurbelumdrehung den meisten Vortrieb.
Angemerkt sei noch, dass dieser Lehrer auch seine Freundin fürs Rennradfahren begeistern konnte. Verwunderlich ist das aber nicht.
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