Am Ende kann vieles erotisch und auf gewisse Weise sexy sein – es kommt dabei nur auf die Betrachtungsweise an. Mit den Händen zum Beispiel in Mehl und Butter zu wühlen, um einen Mürbteig zuzubereiten, könnte eine herrlich lustvoll-sensuelle Angelegenheit sein. Man muss sich nur dafür entscheiden.
Um Sinnlichkeit geht’s dabei – und dazu gehören mitunter auch Dinge, die nicht direkt mit Sex, also dem Vögeln per se zu tun haben. Sondern mit der Tatsache, dass man sich selbst als sinnlicher Mensch empfindet, der sinnlich handelt, denkt, fühlt. Ich, zum Beispiel, habe zuletzt Kraut fermentiert – eine Art Küchenexperiment. Zu diesem Zweck muss man das fein geschnittene Kraut salzen und ziemlich lange in einer Schüssel mit den Händen kneten, sodass Flüssigkeit austritt. Das ist zwar anstrengend, aber ein zutiefst genussvolles Erlebnis, das Spaß macht. Außerdem ist es immer gut, etwas mit den Händen zu tun – man erdet sich so herrlich. Stimmt schon, das alles ließe sich auch pragmatisch als „Arbeit“ betrachten, als automatisiertes Tun, ohne viel Firlefanz. Zackzackzack, machen, machen, machen! Aber mehr Spaß beschert es dem, der sich darauf einlässt. Der also spürt, tastet, lustvoll knetet und wühlt – als eine Form von Erlebenskunst, die bewusst zelebriert wird. Dazu wird gerochen, geschmeckt, gefühlt und gewürzt.
„Die Sinne sind wichtiger als das Denken“, sagte der deutsche Autor und Philosoph Wilhelm Schmid einmal in einem Spiegel-Interview. Schöner Gedanke. Weil sie das Leben um vieles reicher machen – neugierig, lustvoll, offen, gegenwärtig. Mag komisch klingen: Aber Kraut oder Teig zu kneten, von mir aus auch mit fetten Farben zu malen, in der Erde zu wühlen, um Pflanzen zu setzen, inkludiert alles, was es auch für guten Sex braucht: Präsenz, Begeisterung, Leidenschaft, Freude, Hingabe, Hinwendung, Lust, Langsamkeit, Geduld. Und Aufmerksamkeit, verbunden mit dem Wunsch, etwas mit ganzem Herzen zu zelebrieren oder zu gestalten. Intensiv erlebter Sex ist ja auch nix, was nebenbei funktioniert. Nein, wir sind da, mit jeder Faser unseres Körpers und mit allen Sinnen. Alles rundherum ist dann futsch, stattdessen: Du, nur du. Ich. Wir.
Das Lieben auskosten
Idealerweise nehmen wir uns dafür Zeit. Dann wird’s gut, und noch besser. Vielleicht reden wir auch darüber, denken nach. All das erleben wir beim Kochen oder Essen in konzentrierter Form, wie Isabel Allende (in meinem heiß geliebten, mittlerweile zerfledderten Buch „Aphrodite. Eine Feier der Sinne“) schrieb: „Die besten Seiten Henry Millers sind nicht erotisch, als welche man sie uns immer anpreist, sondern handeln vom Essen. Ich habe jener Nachbarin eine Variante ihres Gewerbes vorgeschlagen: einen telefonischen Schlemmerdienst, den unbußfertige Schlemmer wie Diätlebende, Fresssüchtige wie Appetitlose in Anspruch nehmen könnten. Man ruft an, und statt das unanständige Keuchen einer Serena oder Désirée zu hören, bekommt man die ausführliche Schilderung eines guten Lammbratens.“ Fantastisch! Um ihn dann am besten gleich mit allen Sinnen zuzubereiten.
Ja, das Lieben auszukosten, bedeutet mehr als nur die routinierte Rein-Raus-ich-komme-Idee. Es hat was Kulinarisches: Spüren, was schmeckt, was wir im Moment brauchen, worauf wir hier und jetzt Lust haben. Es ist Hinwendung, indem wir dem, was wir tun, unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenken, dranbleiben, genießen und das alles in uns aufnehmen. Dann wird das Leben wieder zu einem Fest – und der Sex wohl auch.
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