Intimität und Herzensverbindung
Auch das gehört zur Reifwerdung, sexuelle Erfahrungen erweitern die Persönlichkeit. Und eines Tages ankern wir, bleiben in einem Hafen, weil wir wissen: Da gehören wir hin, da wollen wir nicht mehr weg. Intimität entsteht, verbunden mit einer tiefen Herzensverbindung. Die Jahre vergehen, der Sex bleibt und ändert sich dennoch. Das Atemlos-Gierige vertschüsst sich, weil wir irgendwann jedes Muttermal unseres Partners kennen, jede erogene Zone des anderen hundertfach erobert haben. Wir wissen, wie der geliebte Mensch an unserer Seite atmet, stöhnt und sich im Moment des Orgasmus bewegt. Alles tief vertraut, aber natürlich nicht mehr ganz so atemberaubend-aufregend wie in den ersten Monaten, Jahren.
Im lesenswerten Buch „Zen oder die Kunst guten Sex zu haben“ von Jacopo Fo gibt es einen wunderbaren Text, der sich mit dieser Form vertrauter Sexualität beschäftigt, er trägt den Titel „Ode an den tausendsten Beischlaf“. Aus seiner Sicht bräuchte es anlässlich der 1000. Liebesnacht ein „Fest der Ekstase“: „Wenn du alles von ihr weißt und sie alles von dir.“ Dabei fehle auch das Bewusstsein dafür, dass die Liebe wächst und ihre süßesten Früchte erst nach langer Zeit abwirft. Aber: „Nur eine Minderheit entschließt sich jeden Tag, sich Mühe zu geben, um die Liebe wachsen und reifen zu lassen. Dazu gehören gute Jahre genauso wie schlechte, schwierige Momente und fantastische, Hoch-Gefühle und Talfahrten – auf vielen Ebenen, auch sexuell. Und so könnten wir uns rückblickend, quasi als Liebes-Rückschau, tatsächlich fragen, ob wir diesbezüglich alles getan haben, was nötig war. Ob wir den anderen genügend berührt haben, und falls nicht: warum? Ob wir da waren, im Sinne von „innerlich präsent“, und nicht nur anwesend. Ob wir die Partnerin/den Partnerin ausreichend gewürdigt haben – oder ihn wieder einmal 365 Tage wie einen selbstverständlichen „Alltagsgegenstand“ behandelt haben. Und dann – der Blick nach vorn: Es künftig wieder gut machen, besser vielleicht oder eben ganz anders. Gemeinsam noch einmal ein paar Experimente, Verrücktheiten und Grenzgänge wagen, um einander wachzuküssen. Jacopo Fo fasst diesen „Zustand der Gemeinschaft“ im Hinblick auf seine eigene Partnerin in wunderbare Worte: „Wenn Sie dieses Wunder der Liebe erleben, dann erkennen Sie auch ein weiteres Wunder: Die Frau, die Sie lieben, bleibt in alle Ewigkeit wunderschön.“ Aus weiblicher Sicht sage ich: Das gilt selbstverständlich auch für Männer. In diesem Sinne, liebe Leserinnen und Leser: Ein wunderbar-sinnliches neues Liebesjahr.
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