Psychologie: Kinder sehen im Bösen immer auch das Gute

Psychologie: Kinder sehen im Bösen immer auch das Gute
Mit ihrer differenzierteren Wahrnehmung von Bösewichten haben sie Erwachsenen etwas voraus.

Erbarmungslos, hinterhältig, rachsüchtig: Denkt man an Ursula die Meerhexe aus dem Disney-Klassiker „Arielle“, kommt einem wenig Schmeichelhaftes in den Sinn. Im Film kämpft das Krakenwesen mit großer Bitterkeit gegen ihren Bruder, den Meereskönig Triton, und macht ihm die Herrschaft über den Ozean streitig.

Doch liegt Ursulas Sinn nach Vergeltung wirklich ein zutiefst böser Charakter zugrunde? Oder schlummert in ihr vielleicht doch ein guter, durch Kränkungen grimmig gewordener Kern?

Mit dieser Frage sollte man sich am besten an das junge Zielpublikum wenden. Denn: Das potenziell Gute im Bösen zu erkennen, fällt Kindern offenbar leichter als Erwachsenen. Das legt eine neue Studie der University of Michigan nahe, die Mitte April im Fachblatt Cognition veröffentlicht wurde.

Das Soziale im Antisozialen

Das Team um die Psychologin Valerie A. Umscheid wollte sich ein besseres Verständnis davon erarbeiten, wie Kinder antisoziale Handlungen, die von bösen Menschen begangen werden, interpretieren. Um das zu ergründen, untersuchte man in Summe 434 Kinder zwischen vier und zwölf Jahren sowie 277 Erwachsene.

Zum einen zeigte sich, dass Kinder die Handlungen und Gefühlsregungen von Bösewichten überwiegend negativ bewerten. Bei extremen Formen von Bösartigkeit wird die bei Kindern gut dokumentierte Tendenz zum Positiven (auf Englisch „Positivity Bias“) also durchbrochen. Vor allem kleinere Kinder weisen bei der Beurteilung von Persönlichkeitsmerkmalen grundsätzlich eine positive Tendenz auf. Das bedeutet, sie nehmen Informationen selektiv auf oder verarbeiten sie, um ein optimistisches Bild von sich selbst und anderen zu erhalten.

Sowohl Kinder als auch Erwachsene bewerteten das wahre Selbst von Schurken durchwegs negativer als das von Helden. Aber: Die Erwachsenen bewerteten die Bösewichte insgesamt negativer.

Zum anderen wurde untersucht, welche Gedanken Kinder und Erwachsene in Bezug auf den moralischen Charakter und das wahre Selbst von Helden und Schurken haben. Also, wie sich eine Figur im tiefsten Inneren fühlt, ob die Handlungen einer Figur ihr wahres Selbst widerspiegeln und ob sich dieses im Laufe der Zeit ändern kann.

Boshafte Fassade, nicht ganz gemeiner böser Kern

Sowohl Erwachsene als auch Kinder gaben häufiger an, dass Antihelden im Innersten gut sind, als dass Helden innerlich schlecht sind. "Mit anderen Worten", beschreibt Hauptautorin Umscheid, "die Menschen glauben, dass es eine Diskrepanz zwischen dem äußeren Verhalten eines Schurken und seinem inneren, wahren Selbst gibt." Diese Diskrepanz sei bei Schurken größer als bei Helden. "Innerlich sind Schurken etwas weniger böse, als sie nach außen hin erscheinen, während Helden innerlich und äußerlich vollkommen gut sind."

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