Pendler-Poesie: Ihre Tage beginnen und enden oft im Finsteren

Pendler-Poesie: Ihre Tage beginnen und enden oft im Finsteren
Zwei Burgenländer – Autorin und Fotograf – haben die Momente des täglichen Verreisens in ihrem Buch verewigt.
Von Uwe Mauch

Es sind treffende sprachliche Bilder, die sie über all die Jahre auf ihren täglichen Fahrten zur Arbeit nach Wien aufgezeichnet hat. Etwa jenes vom Losfahren in der Früh:

zerzauste Wolken im Osten

ein Sturm im Westen

und ich fahre mitten durch

einer ungewissen Zukunft

entgegen

Dorothea Zeichmann ist die meiste Zeit ihres Berufslebens vom nördlichen Burgenland zu ihren Arbeitsplätzen in Wien gependelt. Über all die Jahre konnte die Übersetzerin und Dolmetscherin Pendler-Poesie aus erster Hand produzieren.

Zeichmann ist Teil einer großen und doch noch immer wenig beachteten Bewegung. Denn laut Mobilitätsstatistiken arbeiten knapp 100.000 ihrer Landsleute im Burgenland nicht im selben Ort, in dem sie in der Früh die Augen öffnen und am Abend ins Bett gehen. Unter den Erwerbstätigen sind das immerhin drei von vier Menschen. Gleich 85 Prozent von ihnen pendeln täglich, vor allem nach Wien und Graz.

Während sich die Mehrheit der Menschen in den Städten noch nicht die Zähne geputzt hat, sitzen die Pendler und Pendlerinnen aus dem Burgenland schon im Auto, im Zug, im Bus oder auf einem Zweirad.

Pendler-Poesie: Ihre Tage beginnen und enden oft im Finsteren

Dorothea Zeichmann & Manfred Horvath: Od jutra do noći | Vom Morgen bis zum Abend. Ein Buch über das Pendeln. Verlag Bibliothek der Provinz, 160 Seiten mit zahlreichen Farbfotos, 25 Euro

Horvaths Erzählungen

Zu den sprachlichen Bildern von Dorothea Zeichmann hat der seit Jahren fein sortierte Verlag Bibliothek der Provinz die Momentaufnahmen des in Eisenstadt lebenden Fotografen Manfred Horvath gesetzt. Seine Fotos sind nicht nur aus dem Leben gegriffen, ungeschminkt und doch sehr stimmig. Sie bilden eine feine Symbiose zu den Texten.

Fein ist auch die Genese zu diesem Buch: Es ist schon eine Zeit lang her, da kam die Frau von Manfred Horvath (sie ist Psychologin) mit der Poetin ins Gespräch. Ja, genau, beiden waren auf dem Weg zu ihren Arbeitsstellen in Wien.

Schnell entstand die Idee zu einem Buch. Diese fand viel Zustimmung, aber zunächst null Euro Förderung. Bis doch jemand sein Börsel für die Druckkosten öffnete: Dass die Gedichte in deutscher und in burgenländisch-kroatischer Sprache abgedruckt sind, ist nicht zuletzt ein Hinweis auf den Förderer, konkret ist das das Kroatische Kultur- und Dokumentationszentrum hkdc.

Vom Morgen bis zum Abend – Od jutra do noći: Manfred Horvath hat die Pendler mit seiner Kamera begleitet. Er hat alle vor dem Wegfahren gefragt, ob er sie denn auch fotografieren darf. Dazu erklärt er heute: „Ich habe sehr großen Respekt vor Menschen, die Strapazen auf sich nehmen.“

Seine Kollegin kehrt indes am Abend als Abendstern und als reife Frau heim. Daher lässt sie auch ihr Gedicht mit Licht in der Dunkelheit enden:

es gesellt sich zu ihr der Mond

und gemeinsam gehen sie in die Nacht

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