Keine Reglementierung
„Jugendliche verwenden den Begriff ,Snusen‘, der an sich nur Tabakbeutel wie aus Schweden bezeichnet, auch für tabakfreie Nikotinbeutel“, klärt Schmidbauer zunächst den Sprachgebrauch. Beim tatsächlichen Konsum geht es den Befragten um die breite Wirkung der Substanz. Einerseits nützen sie die weißen Beutel aus den bunten Dosen, um die Leistung zu steigern – z.B. im Sport und beim Lernen. Anderseits versuchen sie mit Geschmack – darunter Minze, Beeren und Lakritze –, Stress zu reduzieren. Sie snusen beim Musikhören, beim Chillen und um einzuschlafen.
„Nikotinbeutel sind einfach zu konsumieren, man muss nicht einmal Inhalieren können“, sagt Schmidbauer. Auch andere Begleiter des Rauchens entfallen. Zigaretten sind in der (Berufs)Schule verboten, ebenso ist das Qualmen in Lokalen stark eingeschränkt. Die Tabakerzeugnisse dürfen vom Gesetz her erst ab 18 Jahren gekauft werden. Für die Lifestyleprodukte mit ähnlichem Suchtpotenzial fehlen diese Reglementierungen.
„Die Tabakindustrie ist sehr kreativ und investiert viel Geld, um neue Kunden zu erreichen“, bestätigt Lisa Brunner, Leiterin des Instituts für Suchtprävention in Wien. Werbung und Verpackung der Nikotinbeutel richten sich vordringlich an eine junge Zielgruppe. Das harmlose Image – viel positiver als bei Zigaretten – erschwert den Schutz von Jugendlichen. Tatsächlich führen die neuen Nikotinprodukte extrem schnell in eine Abhängigkeit. Ein Beutel enthält zwischen 3 mg und 20 mg synthetisches Nikotin – und damit oft mehr als eine Zigarette. Diese Dosierung kann insbesondere bei Jugendlichen Vergiftungserscheinungen hervorrufen; Symptome sind Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen. Zu den Spätfolgen des Nikotinkonsums zählt Krebs.
Aufklärung
„Eltern brauchen ihren Kindern gegenüber eine ganz klare Haltung“, rät die Präventionsexpertin. Auch Erwachsene, die Nikotin konsumieren, müssen das Problem ansprechen. Die Selbstreflexion in Sachen Sucht mag unangenehm sein. Doch die Botschaft: „Ich tue mir schwer, das Laster aufzugeben, Du musst die Finger davon lassen“ muss beim Nachwuchs ankommen. Gesundheit geht vor. Daheim gilt also ein striktes Nikotinverbot. Nein bleibt nein. Die Verantwortung kann nicht auf die Schule abgewälzt werden.
„Wie in vielen Bereichen der Eltern-Kind-Beziehung hilft es, eine gute Gesprächsbasis zu haben bzw. zu schaffen“, sagt Brunner. Heranwachsende müssen ernst genommen werden: Zuhören, über Motive, Ängste, Sorgen reden, im Austausch bleiben, gegen den Einfluss von Außen stärken. „Nicht zu vergessen, ist die Vorbildfunktion der Eltern im Bewältigen von Stress“, ergänzt Schmidbauer. Wie schaut Genuss aus? Welche Strategien zur Lösung von Problemen leben Erwachsene zu Hause vor?
„Eltern können sich z.B. im Internet über den Umgang mit Sucht informieren. Für Lehrer gibt es Fortbildungsmaßnahmen“, schließt Brunner. Suchtprävention beginnt nicht erst in der Pubertät.
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