Der Weg rauf zum Eichberg zweigt hinter dem Schloss Gloggnitz ab. Wo heute gerne geheiratet wird, wurde im Mittelalter viel gebetet. „Das Schloss war einst ein Kloster der Benediktiner“, erläutert Martin Burger an einem sonnigen Samstagvormittag. „Der Weg war im 18. Jahrhundert kartografisch belegt, in der Josephinischen Fassion. Er ist bis ins späte Mittelalter zu datieren, wobei er vermutlich als Zuweg vom Kloster zu den Weinbergen diente.“
Mit Kompass, Karte und seinem Mobiltelefon in der Hand, wandert der Wiener Journalist und Autor im Semmeringgebiet auf den Eichberg. Er ist buchstäblich ein Pfadfinder, er sucht nach den alten Wegen, die in der Antike und auch später von Kreuzrittern, Pilgern, Händlern (die nannte man auch Säumer), Handwerkern auf der Walz, Abenteurern, Alpinisten sowie Menschen auf der Flucht beschritten wurden.
„So rau wie das Gebirge“
Gehen auf alten Wegen. Das ist der Titel des neuen Buchs von Martin Burger (siehe unten). Und man darf es als ein Geschenk ansehen, wenn man sich an die Fersen des Insiders heften und ihm auf einer seiner 25 im Buch ausführlich beschriebenen Wandertouren folgen darf.
Über den Semmering hinauf und weiter in den Süden wollten die Menschen schon lange bevor hier die Ritter-von-Ghega-Bahnstrecke und die Semmering Schnellstraße S6 das Passieren erleichtert haben.
Ihr Weg war lebensgefährlich. Gar nicht wenige kamen ohne GPS und Karte vom Weg ab, gerieten in einen Hinterhalt oder ein Unwetter. Andere verhungerten, verdursteten.
„Der Weg von Gloggnitz über die Rax und weiter ins Mürztal war die alternative Route“, betont Martin Burger. Der Wein, der hier einmal produziert und transportiert wurde, war nichts für Feinspitze. Burger bleibt jetzt kurz stehen, kann sich ein Lächeln nicht verkneifen: Äbte, die weiter gereist waren als andere, haben den hiesigen Wein als „so rau wie das Gebirge“ beschrieben.
Seine Leidenschaft, kurzfristig aus der Zivilisation auszubrechen und mutterseelenallein durch die Natur zu streifen, ist in der Kindheit angelegt. Mit leuchtenden Augen erzählt Martin Burger, wie er mit den Eltern als ältestes von sechs Kindern quer durch Österreich gewandert ist.
In seiner Erinnerung klingt das so: „Für den Weg von Hainburg nach Feldkirch benötigten wir zwanzig Jahre. Weil wir immer nur tageweise gingen. Anfangs waren wir zu dritt, am Ende eine Familien-Karawane.“
Erlebnisse unterwegs haben ihn nachhaltig geprägt: „Vor allem die langen Etappen, auf denen man einen ganzen Tag lang niemanden trifft und den Elementen ausgesetzt ist.“ Einsame Entscheidungen sind zu treffen: Weitergehen oder doch Schutz vor dem flott aufziehenden Unwetter suchen? „Ungefähr so muss es jenen Menschen ergangen sein, die früher einmal auf unserem heutigen Weg gegangen sind.“
Heute ist alles halb so schlimm. Sollte es eng werden, böte der nahe Bahnhof Eichberg sofort Schutz. Dennoch zwingt Wandern auf alten Pfaden dazu, nur das Nötigste in den Rucksack zu packen und Ballast aus dem Sportartikelhandel besser zu Hause zu lassen.
Martin Burger war für sein Buch auf allen 25 Routen unterwegs: auf Wald-, Wiesen-, Güter-, Feld- oder Uferwegen. Er nennt diese Art der Recherche „Realprobe“. Vegetation, Zivilisation und der Zeitdruck seines Verlags haben es ihm nicht erlaubt, alle 25 Touren vom Start bis zum Zielort durchzumarschieren.
Dennoch nahm er viel in Kauf: „Aufstehen oft um vier Uhr in der Früh, mehrere Stunden Anfahrt mit dem Auto, dann mit Kamera und Kompass durchs Gelände hirschen, abends müde wieder nach Hause.“
Wegweiser erleichtern heute die Orientierung. Die Ingenieure des Straßen- und Eisenbahnbaus folgten den alten Fußgängern weitgehend. Die wussten genau, wo Pässe und Flüsse leichter zu queren waren.
Einen Traum möchte sich Martin Burger noch erfüllen: „Von Mikulov in Tschechien bis zur Adria in einem durchgehen.“ Route hätte er schon: „Hier über den Semmering, durchs Mürz- und Murtal, weiter auf der Bernsteinstraße nach Ptuj. Irgendwann würde ich das Meer sehen.“
Das Buch: Gehen auf alten Wegen in den Süden. Auf den Spuren von Händlern, Abenteurern und Alpinisten durch die Steiermark, Kärnten und Italien. Styria, 192 Seiten, 28 Euro.
Der Autor: Martin Burger hat das journalistische Handwerk beim KURIER gelernt. In seiner Freizeit wandert der leitende Redakteur der Ärzte Woche durch Österreich – und schreibt Bücher.
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