Lilian Klebow: „Verletzlichkeit ist eine große Stärke“
Jahrelang versuchte Lilian Klebow – man kennt sie als toughe TV-Kommissarin Penny Lanz – die Erwartungen anderer zu erfüllen. Schön sein, stark sein, die perfekte Mutter. „Irgendwann fragte ich mich, wann ich mich selbst verlassen habe“, schreibt die 44-Jährige in ihrem neuen Buch „Reise zurück zu mir“. Was sie auf dieser Reise über das Frausein gelernt hat, verrät sie im Interview mit dem KURIER.
KURIER: Viele junge Frauen hadern mit Ihrem Aussehen. War das bei Ihnen auch so?
Lilian Klebow: Ich habe mich nie als wahnsinnig schön empfunden. Einerseits hatte ich mangelndes Selbstbewusstsein, andererseits fand ich es gut, dass mich meine Mutter so erzogen hat, dass es für Mädchen nicht das Wichtigste ist, hübsch zu sein.
Etwas, das Sie auch an Ihre Tochter weitergeben?
Ja, das tue ich. Sie trägt etwa nur weite Klamotten, weil sie es so will und weil sie sich darin besser bewegen kann. Letztens kam sie traurig nach Hause und sagte: Die anderen sagen, ich bin komisch angezogen. Ich habe gesagt: Sind die anderen mit deiner Kleidung befreundet oder mit dir? Dann kann ihnen egal sein, was du anhast. Als Frau wird man zu oft in Schubladen gesteckt, das beginnt schon im Kindergarten.
Welchen Stellenwert hat Ihr Aussehen heute für Sie? Ich fühle mich wohl in meinem Körper und bin dankbar, dass er zwei Schwangerschaften geschafft hat. Ich sage auch meiner Tochter, ich bin stolz auf meinen Hintern, der ist weiblich und schön so. Wir Frauen lassen uns zu sehr über das Äußere definieren.
Haben Sie diese Erfahrung auch im Beruf gemacht? Ich habe selber erlebt, dass Cover-Fotos von mir so sehr retuschiert wurden, dass ich mehr wie ein Alien als wie ich selbst aussah. Es nimmt die Persönlichkeit raus, wenn alles glattgebügelt wird. Dabei gibt es wunderschöne Gesichter mit Falten – ich denke da etwa an Erni Mangold oder Elfie Semotan –, aber wir sind das heute kaum gewohnt. In der Werbung sieht man oft einen grau melierten Mann, das gilt als sexy – warum bei uns Frauen nicht?
Haben Sie darauf eine Antwort gefunden? Unsere Welt ist generell männlich geprägt. Es fehlt die weibliche Sichtweise, das wird gerade durch all diese großartigen Bewegungen wie #MeToo aufgeholt. Bei meiner Reise zu mir selbst ist mir erst aufgefallen, wie sexistisch manches war. Zum Beispiel hat ein Regisseur einmal zu mir gesagt: Du siehst hässlich aus, wenn du weinst, das willst du doch nicht. Den zweiten Teil fand ich fast noch schlimmer, weil er mir auch noch meinen Willen abgesprochen hat. Ich habe nicht erlebt, dass das ein männlicher Kollege gefragt wurde. Deswegen finde ich die Serie „Mare of Easttown“ mit Kate Winslet so toll: Sie spielt eine Frau, die alles darf – aggressiv und ungerecht sein, sich gehen lassen, müde sein, Fehler machen. Frauen wurde in Filmen nie zugestanden, dass sie sich irren dürfen.
Sie schreiben im Buch von modernem Feminismus – was verstehen Sie darunter? Für mich bedeutet es, dass man wirklich Frau sein darf. Ich habe immer versucht, der bessere Kerl zu sein, hatte sehr viel Härte, und das hat mich meilenweit von mir selbst entfernt. Für die Zukunft wäre es zwar ideal, wenn wir nicht mehr von weiblichen und männlichen Attributen sprechen müssten, aber solange wir das tun, finde ich, dass typisch weibliche Eigenschaften wie Verletzlichkeit und Unsicherheit unglaubliche Stärken sind. Wir wären alle mehr wir selbst, wenn wir unsere Unsicherheiten zulassen würden und uns von den großen Egos der „Angry White Men“ abkehren.
Viele Paare kippen in alte Muster, wenn sie Eltern sind. Was das bei Ihnen auch so? Da mein Mann viel in München dreht, ist die Rollenaufteilung nicht so ideal, wie ich mir das vorgestellt habe. Wir Frauen erledigen immer noch viel geistige Arbeit, wir sind die Architekten hinter der Familie, die Haushaltsmanager. Diese Arbeit bleibt ungesehen, das finde ich unfassbar anstrengend. In dieses Denken mussten sich die Männer nie einarbeiten. Mein Mann und ich tun, was wir können, und unterstützen einander sehr, aber man merkt, wir sind in anderen Strukturen aufgewachsen. Ich kann nur allen Männern raten, gut zuzuhören und allen Frauen, sich nicht frustrieren zu lassen. Unlängst habe ich meinem Mann Comics über den „Mental Load“ gezeigt. Zum Glück ist er reflektiert. (lacht)
Sie machen kein Geheimnis daraus, dass Sie nie Mutter werden wollten. Was hat Sie die Elternschaft gelehrt? Kinder sind wie Spiegel – sie halten dir vor, wo du authentisch bist und wo nicht. Ich dachte mir oft: Warum zweifel ich so viel, warum habe ich kein Selbstbewusstsein? In der Psychotherapie und in Gesprächen habe ich gelernt, dass es vielen Frauen so geht. Nur: Mit Angst und Perfektionismus kommst du bei Kindern nicht weiter – eine perfekte Mama sein zu wollen, treibt dich in die maximale Erschöpfung. Also habe ich gelernt, Scheitern zu akzeptieren. Meine Angst davor war so groß, dass sie mich fast von dem größten Glück in meinem Leben abgehalten hätte. Ich hoffe, dass sich viele Frauen in meinem Buch wiedererkennen werden.
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