Langsamlauftreffs: Über die Magie der Entschleunigung

Langsamlauftreffs: Über die Magie der Entschleunigung
Serie, Teil 4: Die ursprüngliche Idee hat nichts an Attraktivität verloren. Eine teilnehmende Beobachtung.
Von Uwe Mauch

Mittwoch, 18.30 Uhr. Wenn wenig in dieser schnelllebigen Zeiten fix ist – dieser Termin steht. Auch der schattige Treffpunkt beim Spielplatz am Eingang zum Erholungszentrum am Maurer Berg. Und das seit 37 Jahren.

Wer kommt, kommt. Und wer nicht kommt, muss sich dafür nicht entschuldigen – weil immer wer kommt. Auch heute Abend. Pünktlich um halb sieben gehen acht Hochmotivierte an den Start. Jeder und jede in seinem bzw. ihrem Tempo. So, dass man sich unterwegs noch in Ruhe unterhalten kann. Etwa mit Maria, die sich gerne der Geh-Gruppe angeschlossen hat.

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Und ja, man ist auch beim langsameren Bewegen sehr schnell per Du. Maria erzählt, dass sie zum Saisonstart im April neu eingestiegen ist und schon nach dem dritten Mittwoch positive Effekte spürte: „Ich kann sagen, dass ich nach dem langen Winter durch das regelmäßige Gehen in der Gruppe mit netten Leuten viel weniger missmutig bin.“

Auf die Frage nach ihrem persönlichen „Beweg-Grund“ erklärt die Pensionistin nach weniger als einem Schritt auf dem gepflegten Forstweg der Stadt Wien kurz und klar: „Ich möchte alt werden.“ Ihr Nachsatz ist wichtig: „Das möglichst lange – möglichst gesund und selbstbestimmt.“

Langsamlauftreffs: Über die Magie der Entschleunigung

Die Massen bewegt

Der Start der Langsamlauf-Treffs war in Österreich im April 1986. Es ist dem großen Engagement eines damals jungen Sportwissenschafters und seines Arbeitgebers, der ASKÖ, zu verdanken, dass die Idee flott Fuß fassen konnte.

Günter Schagerl ist seit wenigen Wochen Pensionist, doch in seiner Leidenschaft, die Menschen von ihrem Sofa wegzulocken, ungebrochen. Auch an diesem lauschigen Mittwochabend im Maurer Wald hält er unterwegs ein Plädoyer fürs sanfte Bewegen: „Langsam laufen oder gehen in einer Gruppe ist natürlich gut für das Herz, aber auch für das Gemüt. Es ist ein guter Verstärker für die körperlich-seelische Balance.“

In der Hochphase einer Bewegung, die Schagerl mit seinem Kämpferherz losgetreten hatte, zählte er österreichweit 250 Langsamlauf-Treffs. Dann kamen Nordic Walking, da und dort Wehwehchen bei den Übungsleitern und vor allem die Pandemie. Eine Idee kam in die Jahre, und doch ist sie zeitgemäß wie eh und je.

Langsamlauftreffs: Über die Magie der Entschleunigung

Winfried läuft seit mehr als zehn Jahren mit. Auch er ist angetan von diesem Treff. Was der jung gebliebene 74-jährige Softwareentwickler sehr schätzt: „Das Rücksichtnehmen auf die anderen in der Gruppe und das Laufen ohne Leistungsdruck.“

Das Tempo der Läufer und Läuferinnen ist auch an diesem Abend moderat, dafür ist ihre Unterhaltung angeregt. Alle folgen sie dem seit vielen Jahren von Günter Schagerl beworbenen Motto: „Laufen ohne Schnaufen.“

Der Lauftreff bietet jedes Mal aufs Neue die Chance auf Entschleunigung inmitten der Natur, er ist ein Fixpunkt in den Kalendern all jener, die regelmäßig teilnehmen, ganz in der Nähe ihres Wohnorts.

Langsamlauftreffs: Über die Magie der Entschleunigung

Die Gelsen vertrieben

Entscheidend ist, dass jeder und jede mittun kann. Weil hier nicht für Olympische Spiele trainiert wird, sondern die ganzheitliche Gesundheitsförderung das Ziel ist.

Ein gutes Beispiel für die schrittweise Verbesserung ist auch Ulrike, die bisher in der Gehgruppe mitgegangen ist, dabei ihre Fitness von Mal zu Mal verbessert hat und heute zum ersten Mal durchaus mit Demut mit den Läufern gestartet ist. Das leicht gerötete Antlitz gepaart mit der hellen Begeisterung in den Augen der 55-jährigen medizinisch-technisch Angestellten sagen mehr als tausend Worte.

Yes! Dort, wo sie vor einer Stunde weggelaufen ist, frohlockt Ulrike jetzt: „Die Stunde mit den kleinen Schritten war schon lang, aber ich habe das Gefühl, dass ich jetzt noch ein Stück weiterlaufen könnte.“

Sie bedankt sich noch bei den anderen Läufern, die sie unterwegs „getragen“ hätten. Dann verabschiedet man sich, in einer Stimmung, die es selbst den Millionen Gelsen schwer macht, lästig zu sein.

Wien: 1230 Wien, Maurer Berg, vor dem Spielplatz am Anfang des Pappelteichwegs. Immer mittwochs, 18.30 bis 19.30 Uhr. Ansprechpartner: guenter.schagerl@askoe.at

Niederösterreich: 2551 Enzesfeld-Lindabrunn, Hohenluckeng. 2. Montags, 18.30 bis 19.30 Uhr. Ansprechpartner: peter.staribacher@gmail.com

Steiermark: 8600 Bruck/Mur,  Weitental, Parkplatz zur Kalten Quelle. Dienstags, 18.30 bis 19.30 Uhr. Ansprechpartner: erich.lenger@gmx.at

Weitere Infos: Alle drei Treffs von April bis September, gelaufen wird hauptsächlich auf Waldwegen. Weitere Treffs, auch in anderen Bundesländern finden sich hier.

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