"Love u“, gerne auch „LiDi“ (für „Lieb Dich“) oder HDL (für „Hab Dich lieb“) in rasch und sehnsüchtig getippten Handy-Botschaften: So schaut’s aus, in Zeiten digitalisierter Romantik. Heute schickt Amor seine Pfeile via Messaging – da muss keiner mehr seine Leidenschaft hinauszögern. Wozu harren und hoffen? Alles kann raus. Jetzt. Sofort.
Wir erleben eine Sehnsuchts-Ejaculatio-praecox – sehr schnelles, oft vorschnelles Kommen (mitunter auch schnelles Gehen) von Begierden und Sehnsüchten, manchmal schlicht aus einer momentanen Laune heraus. Aus dem Büro, Supermarkt, vom Strand oder spätnachts mit Herzklopfen dem/der Geliebten übermittelt. Weil’s verbindet und die Ekstase am Leben erhält. Liebesbriefe auf Bütte? Warten auf Wonneworte aus Tinte? Eine Rarität und eher etwas fürs Museum. Dafür gibt’s heute WhatsApps oder Emails als Schätze, die niemals vergilben. Aber was wäre dieses von Tempo geprägte Tête-à-Tête der Liebesbotschaften im Namen der Passion ohne all die schönen Emojis? Halb so anschaulich. Also hat mittlerweile jeder die Chiffren der Begierden drauf: das Smiley mit ausgestreckter Zunge als frivoles Symbol für Oralsex, das „Teufelchen“ als „Ich-wäre-jetzt-gerade-geil“-Botschaft oder die „roten High Heels“ für irgendeine Sünde, wurscht welche. Hauptsache: verboten, arg, geil. Schließlich das Herz. Rot. Pochend. Stark. Für die ganz großen Gefühle. Intensiv und drängend. Wer das Herz tippt, will was, meint was. Nix, das man einem Tinder-Date akut nach dem ersten Mal aufdrängen sollte. Fluchtgefahr! Und trotzdem schwingt beim Herz auch Frivol-Sinnliches mit, nicht nur die Idee eines „für immer Dein“.
Eine besondere Geschichte
Was die Geschichte dieses Symbols schön zeigt, der die Literaturwissenschafterin Marilyn Yalom in ihrem wunderbaren Buch „Das Herz eine besondere Geschichte der Liebe“. “ einst auf der Spur war. „So ansprechend, wie das Herzsymbol ist, bietet es sich für diverse ästhetische, philosophische und psychologische Interpretationen an. Seine vollendete Symmetrie und leuchtende Farbe sprechen unseren Schönheitssinn an. Seine zwei gleichen Hälften, die zu einem Ganzen verschmelzen, vermitteln die philosophische Vorstellung von Platon, dass jeder Mensch danach strebt, sich mit seinem Seelenverwandten zu verbinden“, schreibt sie. Nicht nur. Auf einer unbewussten Ebene bewirken die „runden Lappen sexuelle Fantasien von Brüsten und Gesäß“. Die Autorin zitiert etwa den Franzosen Pierre Sala, der die Geschichte des Liebesherzens durch ein Büchlein mit dem Titel „Liebesembleme und Motti“ bereicherte. Es entstand 1500 und enthält zwei Miniaturen mit Herzen: „Die eine zeigt, wie Monsieur Sala ein erdbeerähnliches Herz in die Blüte einer Margerite fallen lässt. Marguerite ist auch der Vorname der geliebten Frau. Die erste Zeile des Textes lautet so: ,Mein Herz möchte in dieser Margerite sein’“. Eine herrlich-sexuelle Anspielung, die auch die Leser des Mittelalters verstanden haben dürften. Heute scheint der Umgang mit diesem Symbol ein wenig inflationär – es verliert seine Aura. Das universelle Zeichen der Liebe ist omnipräsent – als Spiegeleiform, auf Städte-T-Shirts, als Analschmuck, Dildo und Vibrator. Das könnte uns vielleicht auch Trost sein, weil: Das Herz kommt nie aus der Mode. Das fasst Yalom – sehr schön – so zusammen: „Die weltweite Beliebtheit des Herzens als Symbol für die Liebe ist ein kleiner Hoffnungsschimmer in einer Welt, die von so viel Hass geschädigt ist. Idealerweise ist es eine Erinnerung an den zeitlosen Glauben, dass nur die Liebe uns erlösen kann.“
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