Getötet, weil sie Frauen sind

Mahnmal für tote Frauen in Rom
In Österreich werden im Schnitt drei Frauen pro Monat brutal ermordet. Die Täter sind oft die Partner oder Ex-Partner.

Cordula Koc. Ich habe sie nicht mehr kennengelernt, sie arbeitete auch beim KURIER und war Redaktionsassistentin in jenem Ressort, das ich heute leite. Im Jahr 2006 wurde sie Opfer eines Femizids. 23-mal stach ihr Ex-Partner vor den beiden gemeinsamen Töchtern auf sie ein. Eine Kollegin, die Cordula Koc kannte, beschrieb sie mir als sehr selbstbewusst und stark, eine Frau, die nie um einen Schmäh verlegen war. Sie war sogar so selbstbewusst, dass sie vor Gericht kämpfte, um eine einstweilige Verfügung gegen ihren Ex-Partner zu erwirken.

Doch man nahm sie nicht ernst. Sie tauschte das Schloss der Eingangstür, schlief bei der enormen Hitze der Sommernächte mit geschlossenen Fenstern und versperrter Balkontür. Dann begann der Psychoterror. „Ich werde dich töten, wenn du alleine bist“, schrieb er ihr. Sie wollte weg. Weg aus der Wohnung, weg aus dem Bezirk. Hilfesuchend wandte sie sich an ein Wiener Frauenhaus und musste abgewiesen werden, weil es keinen freien Platz für sie gab. „Du, ich kann nicht mehr, ich druck’ das nicht mehr durch“, sagte Cordula Koc daraufhin zu einer Freundin. Ein paar Tage später, am 30. Juli 2006 um 22.30 Uhr, tötete er sie. Durch einen Trick gelang es ihrem Ex-Partner, in die Wohnung zu kommen. Er stach mit einem Butterfly-Messer auf sie ein. „Sie war keine gute Frau“, meinte er danach.

„Das ist furchtbar“, sagte Andrea Brem, die auch damals schon für die Wiener Frauenhäuser tätig war, kurz darauf im KURIER-Interview. Aber es gebe Zeiten, in denen diese Unterkünfte voll belegt sind, bedauerte sie. Der Staat konnte Cordula Koc nicht beschützen, und auch heute noch verlieren Frauen ihr Leben, weil sie nicht ernst genommen werden. Doch es werden keine Frauen mehr weggeschickt, wenn sie Schutz suchen. Das wurde mir versichert.

„Cordula Koc wollte mit aller Kraft ein neues, besseres Leben beginnen. Jene Entscheidung, die ihr zum Verhängnis wurde, die endgültige Trennung von ihrem Ex-Freund, hat sie getroffen, um ihren Kindern Zukunft und Visionen zu geben. Wie nie zuvor war sie entschlossen gewesen, ihrem Leben eine Wende zu geben“, stand in ihrem Nachruf.

Warum gehen Frauen nicht einfach aus diesen Gewaltbeziehungen? Mit dem Wissen, welch massive Bedrohung und Gewalt auf Betroffene einwirken können, wenn sie versuchen, sich zu trennen, kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass dieser Frage Victim-Blaming (Anm.: Täter-Opfer-Umkehr) zugrunde liegt oder sie zynisch gemeint ist. Statt zu fragen, warum Frauen nicht früher aus diesen Beziehungen gehen, sollten wir fragen, warum diese Männer gewalttätig sind.

Und würde man einen Femizidtäter nach dem Grund für seine Tat fragen, dann würde er antworten: „Weil sie sich mit anderen Männern getroffen hat.“ Oder: „Weil ich meine Ehre retten musste.“ Oder: „Weil sie mich provoziert hat.“ Und: „Weil sie sich trennen wollte.“

Das sind die Gründe, die man im Gerichtssaal von den Angeklagten nach einem Femizid hört. Diese Aussagen resultieren aus zahlreichen Unzulänglichkeiten. Tatsächlich verbinden sich hier gesellschaftliche und systemische mit persönlichen Problemen. Sie entspringen unterschiedlichen Ebenen. Gesamtgesellschaftlich gesehen sind es vorherrschende Geschlechterungerechtigkeiten und Besitzdenken der Männer. Ein Oberösterreicher, der im Jahr 2021 seine Frau mit einem Hammer erschlagen hat, soll bei der Einvernahme gesagt haben: „Ich habe nichts gemacht, nur meine Frau getötet.“ Nur meine Frau getötet.

Hinzu kommen Krisenfamilien, in denen Gewaltgeschichten fortgesetzt werden, anstatt unterbrochen zu werden. Es kann sein, dass der Täter früher selbst Opfer von Gewalt wurde oder er gesehen hat, wie der Vater die Mutter geschlagen hat. Oft trifft beides zu. Auch die Frauen können Gewaltvorgeschichten haben, erlittene und erlebte Gewalt haben massive Auswirkungen auf künftige Verhaltensweisen. Und schließlich weist ein Teil der Täter Persönlichkeitsstörungen unterschiedlicher Schwere auf.

319 getötete Frauen und 458 versuchte Morde an Frauen – so die Zahlen für den Zeitraum 2010 bis 2020 in Österreich. Die meisten dieser Taten waren Trennungstötungen. Die Frau wurde ermordet, weil sie ein anderes Leben führen wollte. Wenn er sie nicht haben kann, dann darf sie auch kein anderer „haben“.

Das Buch von Yvonne Widler, "Heimat bist du toter Töchter", zu Femiziden in Österreich erscheint am 12.9. 2022 beim Kremayr & Scheriau Verlag. 

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