KURIER: In deinem Buch geht es um Bitcoins, toxische Männlichkeit und den permanenten Wunsch nach Selbstoptimierung. Warum?
Sebastian Hotz: Ich finde, dass das momentan so ein Grundrauschen im Internet ist. Die meisten kennen wohl jemanden, der versucht, die Leere seines Lebens mit diesem schnellen Weg zum Erfolg zu füllen. Es ist einfach ein Thema unserer Generation.
Du hast selbst BWL studiert ...
Ja, aus einer Interesselosigkeit heraus. Mit 19, 20 hätte ich dem einen oder anderen Bitcoin-Betrüger also leicht selbst in die Hände fallen können. (lacht)
Über das Twittern kamst du dann doch noch zu einem ordentlichen Job: Comedyautor für Jan Böhmermann.
Ich weiß nicht, ob man das als anständigen Beruf bezeichnen sollte. Es ist trotz des Stresses ein Quatschjob, den ich nur den Zufälligkeiten des 21. Jahrhunderts verdanke. Man sollte den Stress nicht mit regulären Jobs vergleichen.
Deine Gags eint eine politische Schlagseite. Geht guter Humor nur mit Haltung?
Ich war mal der Meinung, dass das zwingend nötig wäre. Aber letztlich ist die einzige Daseinsberechtigung für Comedians, dass sie andere zum Lachen bringen. Die politisch eindeutige Färbung meines Humors kommt auch daher, dass ich ohne schlechtes Gewissen einschlafen möchte. Wenn du mit einem Witz über unterdrückte Minderheiten einschlafen kannst, mach das – aber komm mit dem Gegenwind zurecht.
Dein Witz kommt bei 20- bis 40-Jährigen super an, Babyboomer verstehen ihn oft nicht. Wie würdest du diese Art von Humor erklären?
Ich glaube, es ist eine grundlegend andere Einstellung gegenüber der Zukunft, die den Unterschied ausmacht. Mit einem geilen Mauerfall und einer gewonnenen Fußball-WM im Rücken blickt man positiver nach vorne als nach einer Pandemie und sich täglich überschlagenden Schreckensnachrichten. Daher ist unser Humor etwas fatalistischer, entspannter. Weil man weiß, es bringt ja eh nix.
In vielen Tweets nimmst du die „deutsche Leitkultur“ aufs Korn. Lässt sich über Österreich auch gut scherzen?
Ich verrate nichts Neues, wenn ich sage, dass das, was in Österreich passiert, eine gute Vorlage für Gags ist. In Österreich hat man immer den Eindruck, dass alles ein bisschen früher und extremer passiert als in Deutschland. Zum Beispiel eine rechtsradikale Partei in der Regierung ... Was ich an Österreich am meisten schätze, sind die Fußballtrikots. Die sind so schön zugepflastert mit Sponsoren.
Apropos Fußball. Du hast einmal gesagt, dass Mats Hummels deine Tweets likt. Macht er das immer noch?
Ja, manchmal. (lacht) Das ist natürlich ein Ritterschlag.
Du lieferst pro Tag zehn Tweets. Nicht alle werden gleich viel gelikt, geteilt. Wie groß ist dein Leistungsdruck?
Als Twitter mein einziger kreativer Output war, war der Druck groß. Wenn du an einem Tag 50.000 Likes hast und am nächsten 38.000, denkst du dir: Oh Gott, bin ich unlustiger geworden? Am besten funktionieren apolitische Alltagsbeobachtungen.
Kult ist auch dein zusammengestückeltes Profilbild, dich selbst zeigst du selten. Wirst du auf der Straße erkannt?
In Großstädten werde ich auf jeder U-Bahn-Fahrt erkannt, aber das ist zu 99 Prozent angenehm. Das Gesicht auf dem Profilbild ist tatsächlich meines, ein Foto von meiner Konfirmation. Der Teil mit den Haaren ist von einem bekannten Internet-Meme.
Die Medien sind uneins, wie sie dich bezeichnen sollen. Was ist dir am liebsten?
Ich bevorzuge die Bezeichnung Internetclown. Das befreit mich von jeglichem Anspruch, ernst genommen zu werden. Satiriker oder Buchautor? Dafür fühle ich mich nicht schlau genug.
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