Coole Idee: Pensionisten als VHS-Kursleiter

Es sind sehr wohl Tränen, die jetzt der Kieferorthopädin im Ruhestand über ihre Wangen laufen. Dreißig Jahre lang war sie für ihre Patienten die allseits geschätzte „Frau Doktor“ und für ihre Kollegen die öfters um Unterstützung gebetene Fachärztin. Zeitgleich war und ist sie die Mutter von drei erwachsenen Kindern, die ihren Weg machten.
Alles gut? Hm. Noch nicht ganz. Das Reizwort lautet Pensionsschock. Es löst bei Ursula Jordan noch immer einen emotionalen Schub aus.

Die Kieferorthopädin Ursula Jordan freut sich auf neue Aufgaben
Es war für sie "wie ein kleiner Tod"
Inzwischen kann sie gut reflektiert erklären: „Meine Pensionierung war ein harter Einschnitt in mein Leben. Ich habe für meinen Beruf gebrannt. Und von einem Tag auf den anderen war es aus. Es war wie ein kleiner Tod für mich.“ Nicht nur all die Routinen des Berufs fielen weg, auch viele soziale Kontakte. „Und auf einmal beschäftigt man sich auch mit der Endlichkeit des Lebens.“
Die 66-jährige Akademikerin ist eine von neun Menschen jenseits der sechzig, die sich für die neue „VHS Silver Training Ausbildung“ (mehr Informationen siehe unten) angemeldet haben. Sie freut sich auf die neue Erfahrung: „Ich weiß noch nicht, welchen Kurs ich anbieten könnte“, überlegt Ursula Jordan. „Vielleicht auch etwas für das Thema Leben nach der Berufstätigkeit.“

Renate Bartaun hat das Tool für die Volksbildung mitentwickelt
Mehr müssen jene, die sich für diese neue Ausbildung angemeldet haben, nicht wissen. „Wir wollen mit ihnen gemeinsam erkunden, wo ihre Interessen liegen und wo wir als Volkshochschule Bedarf haben“, so Renate Bartaun, die das Tool für die Volksbildung mitentwickelt hat.
Konkret möchte man Menschen erreichen, „die in Pension sind und einen Teil ihres Erfahrungsschatzes mit anderen teilen wollen“. Oberstes Ziel sind „gewonnene Jahre“, zitiert Bartaun den treffenden Titel einer Sendereihe von Ö1. Wohin die Reise mit den neuen Silver Trainern gehen wird, sei auch für die traditionsreiche Wiener Bildungseinrichtung „ein hoch spannendes Experiment“.

Die Gesundheitsexpertin Brigitte Hrdlicka freut sich auf die Kunst
Sie will "Kultur nicht nur passiv zu konsumieren"
Mit an Bord begeben wollte sich auch Brigitte Hrdlicka. Sie hat nach einer Lehre als Drogistin in Klagenfurt lange als Assistentin bei Fachärzten in deren Ordinationen gearbeitet. Nach dem Ortswechsel mit Mann und beiden Kindern nach Wien folgte eine Ausbildung zur Mentaltrainerin. Bis zur Pensionierung war sie dann 15 Jahre lang „sehr zufrieden“ als eine wichtige Schaltstelle in der allgemeinen Ambulanz des Sankt-Anna-Kinderspitals tätig.
„Die ersten sechs Wochen als Pensionistin haben sich für mich wie Urlaub angefühlt“, erinnert sich die an der Kunst Interessierte. „Doch dann habe ich gesagt: So kann das bitte nicht weitergehen.“ Wichtig ist Brigitte Hrdlicka der Hinweis, dass sie sich vorgenommen hat, „Kultur nicht nur passiv zu konsumieren“.
Auch sie ist auf das durchwegs überschaubare Honorar für das Abhalten eines Kurses nicht unbedingt angewiesen. Dennoch würde auch ihr eine Buchungszeile auf der Habenseite ihres Bankkontos anzeigen: „Danke für Deine Expertise, die wir somit auch honorieren wollen.“

Die Personalistin Gabriele Kefer freut sich auf Weiterentwicklung
Sie hatte "das große Glück“
Es passt gut ins Bild, dass auch Gabriele Kefer im ersten Kurs sitzt. Die 63-jährige Personalentwicklerin, die im burgenländischen Seewinkel aufgewachsen ist und dann in Wien Dolmetsch für Französisch und Englisch studiert hat, war öfters in ihrem Leben vor bzw. auf der Welle von neuen Marktentwicklungen.
Bald nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war Kefer in Osteuropa beim Aufbau von Beraterbüros im Einsatz; nach ihrer Karenz hat sie den ersten Internet-Provider Österreichs bei dessen wilder Expansion beratend begleitet; hierzulande war sie auch eine der ersten Personalentwickler, die nicht nur wussten, was Outplacement bedeutet (Hilfe für frisch Gekündigte, und zwar mit dem Geld ihrer Ex-Arbeitgeber), sondern auch angeboten haben. Vor ihrer Pensionierung war sie 15 Jahre lang für die Caritas Socialis tätig.
Auch Gabriele Kefer kann sich gut vorstellen, ihr Know-how in Sachen Pensionierung anderen in einem VHS-Kurs zur Verfügung zu stellen: „Ich hatte das große Glück, dass ich mich noch in meinem Berufsleben auf den neuen Lebensabschnitt gut vorbereiten konnte“, erzählt sie.
Das Thema ist aktuell. Doch wer weiß, vielleicht finden die Damen während ihrer Ausbildung noch zu anderen pädagogischen Wegen.
Sie hatte die Idee: Die Kulturmanagerin Renate Bartaun beschäftigt sich im Rahmen der Wiener Volksbildung unter anderem mit der Frage, wie den Bedürfnissen und dem Wissen älterer Menschen besser begegnet werden kann. Bei ihren Recherchen kamen Bartaun und ihre Kollegen auf die Idee, mit einer neuen Ausbildung neue Räume zu eröffnen: Den Auszubildenden wird eine bisher nicht gekannte Form der Wertschätzung entgegengebracht, mit ihrem alten und neuen Wissen sollen sie bereits ab dem Herbstsemester das VHS-Angebotsspektrum erweitern.
Der erste Kurs läuft bereits. Er umfasst insgesamt 70 Unterrichtseinheiten – in acht Modulen. Für den Abschluss werden 80 Prozent Anwesenheit verlangt. Die ersten neun Teilnehmenden
haben dafür jeweils 490 Euro bezahlt.
Zwei Info-Veranstaltungen: Renate Bartaun offeriert für alle interessierten KURIER-Leser zwei Info-Termine in der VHS Meidling (12., Längenfeldgasse 13 – 15): Donnerstag, 7. April, 10 – 11 Uhr bzw. 18 – 19 Uhr. Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich: renate.bartaun@vhs.at
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