Auf Tour mit Ampelpaten: Beim Drücken wird’s nicht schneller grün

Unverzichtbare Hilfe im Alltag
Seit 50 Jahren lotsen akustische Signale blinde und sehbehinderte Menschen über die Straße.
Von Uwe Mauch

„Nicht drücken, nur für ...“ Steht auf dem orangefarbenen Schaltkasten. Gleich daneben ist ein Mensch mit Blindenschleife und -stock abgebildet. Eigentlich gibt’s da für alle, die sehen können, wenig falsch zu verstehen.

Eigentlich ...

Es handelt sich um eine von rund 900 akustischen Ampelanlagen, die blinden und sehbehinderten Menschen in Wien über die Straße helfen. Sie sind seit 50 Jahren Wegweiser. Die erste Anlage wurde am 23. Juni 1972 mit der üblichen Begleitmusik der Rathauskorrespondenz eröffnet.

Auch Peter Schießl ist heute froh, dass es diese Ampeln gibt. Er nähert sich gerade einer Anlage in der Julius-Ficker-Straße in Wien-Floridsdorf.

Auf Tour mit Ampelpaten: Beim Drücken wird’s nicht schneller grün

Hört, sieht und tastet: Peter Schießl kontrolliert die Anlagen in der Floridsdorfer Julius-Ficker-Straße.

Vor einigen Jahren wurde Schießl von einem wenig sensiblen Augenarzt mitgeteilt, dass er bei ihm ein soeben beginnendes Leiden mit lateinischem Fachbegriff Retinopathia pigmentosa festgestellt hat und dass er schon bald nicht mehr Auto fahren und den Beruf nicht mehr ausüben wird können. Der Arzt lag zumindest nicht ganz falsch, weiß der sehbehinderte Wiener heute: „Mein Gesichtsfeld wird durch die Krankheit mehr und mehr eingeschränkt.“

Allerdings: „Das, was ich sehen kann, sehe ich derzeit noch relativ scharf. Den Job in einer Personalservice- und Beratungsfirma kann ich daher weiterhin ausüben.“

Als Ampelpate auf Kontrollgang

Außerdem ist Peter Schießl als Ampelpate der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen aktiv. Er einer von rund 50 Paten, die sich in Wien ehrenamtlich betätigen: „Jeder von uns ist für ein genau definiertes Grätzl in der Stadt zuständig.“ In seiner Funktion als Ampelpate prüft er nun, ob er die Ampel Nr. 3288 hören kann. Kann er nicht. Kann er schon wieder nicht. Auch durch das Drücken der Taste, die unterhalb des Schaltkastens für blinde Menschen angebracht ist, bewirkt er nichts.

Deshalb wird er am Abend erneut eine Fehlermeldung an die zuständige Magistratsabteilung 33 mailen. Mit der Bitte um Reparatur. Mit einer weiteren Bitte wendet sich Peter Schießl an alle Sehenden: „Drücken Sie bitte nicht auf den taktilen Schaltkästen herum. Es wird dadurch nicht schneller grün. Nur die Anlagen für Blinde und Sehbehinderte werden dadurch schneller kaputt.“

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