Geld & Glück: Das sagt der Vermögenskulturforscher
FREIZEIT: Herr Professor Druyen, Sie sind der erste und einzige Vermögensforscher im deutschprachigen Raum. Wie können wir uns Ihre Arbeit als teilnehmender Beobachter in der Welt der Reichen und Superreichen vorstellen? Begleiteten Sie Scheichs bei der Falkenjagd und Börsengurus zu Kunstauktionen?
THOMAS DRUYEN: Darf ich präzisieren: Ich bin Vermögenskulturforscher. Unsere Ausgangslage ist: Was machen riesige Vermögen mit der Psyche und den Lebenskonzepten einer sehr kleinen Klientel, und welche Rolle spielen diese Vermögenden in ihren Gesellschaften? Falkenjagd, 140 Meter-Jachten, Privatflugzeuge für Ausflugsgesellschaften und Schuhschränke mit Fitnesshalle sind durchaus Erlebnisszenarien. Natürlich treffen wir Multimillionäre und Milliardäre in ihrem Umfeld, aber die wissenschaftliche Reise geht eindeutig in die Innenwelt der Person. Insofern versuchen wir tatsächlich zwischen Schein und Sein zu differenzieren.
Der Zugang ist extrem kompliziert. Dies ist allerdings auch von der jeweiligen Kultur abhängig. In China und Amerika ist es wesentlich einfacher als in Deutschland oder Österreich. Hier gibt es immer noch eine hohe Tabuisierung der vermögenden Privatsphäre. In Amerika spricht man bis zu einer gewissen Schwelle gerne über den Erfolg. Die ersten Jahre der Interviewsuche waren wirklich mühsam. Bis wir uns dann erst einmal auf Stifter und Stiftungen konzentriert haben, da gingen die Türen leichter auf. Heute verfügen wir über ein gutes Netzwerk, so dass diese Welt nicht mehr ganz so verschlossen ist. Aber natürlich interessieren sich auch die Superreichen für Ihresgleichen. Insofern sind wir auch spannende Gesprächspartner und nicht nur bohrende Vermögenspsychologen.
Armut macht die Menschen auch nicht besser bzw. edler. Aber inwieweit formt Vermögen den Charakter?
Das ist eine sehr bedeutsame Frage, denn sie berührt genau den Kern der Herausforderung: formt das Vermögen den Charakter oder umgekehrt? Natürlich erlaubt großer Reichtum enorme Individualität und auch Exzentrik. Aber diejenigen, die sich vom Vermögen formen lassen, sind sicherlich charakterlich und in ihrem Wertgefüge schwächer und anfälliger als diejenigen, die das Vermögen in den Dienst ihres Charakters stellen. Enorm viel Geld und Verfügungsgewalt sind ein Angriff auf den Charakter und eine große Herausforderung. Wenn man fast alles kaufen kann, ist die Wahrscheinlichkeit die eigene Mitte zu verlieren sehr groß. Daher ergibt sich zuweilen ein Bild der Charaktereigenschaften, die nicht beneidenswert, sondern bemitleidenswert sind.
Das "Manager Magazin" klagte vor kurzem: "Eine Million Dollar reicht längst nicht mehr, um wie ein Millionär zu leben". Ab wie viel Geld kann man davon sprechen, reich zu sein bzw. über ein Vermögen zu verfügen?
Es gibt keine gültige Richtlinie. Eine Million Dollar ist in Finnland, in der Schweiz, in Nigeria, in Papua Neu Guinea oder auf dem Land in China oder Indien etwas ganz unterschiedlich Wirksames. Also ohne eine Eingrenzung der Frage, kann man nur Unsinn erzählen. Bei uns jedenfalls und da hat das Manager Magazin Recht, ist der Millionär alles andere als aus dem Gröbsten raus. Dies gilt aber nur in Bezug auf die Reicheren und viel Reicheren. Diese Benchmark setzt den Reichen unter Druck und ist gefahrvoll. Im Verhältnis zu den ganz vielen weniger Bemittelten könnte er Zufriedenheit und Genügsamkeit leben, wenn sein Charakter ihm das erlaubt. Kurz gesagt, Reichtum ist heute viel flüchtiger. Wenn man was hat, heißt das keinesfalls, dass man es auch behält oder sichern kann.
Reichtum bedeutet Besitz. Vermögen aber meint auch Verantwortung. In einem Interview meinten Sie einmal, Vermögen haben heißt, etwas konstruktiv in die Zukunft umzusetzen'. Können Sie das näher erläutern?
Der von mir geprägte Begriff der Vermögenskultur setzt sich ganz bewusst über die materielle Grenze des Reichtumsbegriffs hinweg. Vermögen bedeutet viel mehr, dass zu tun, was man vermag. Es ist nicht nur besitzen, sondern auch im Rahmen seiner Möglichkeiten gestalten und Verantwortung übernehmen. Insofern signalisiert die Vermögenskultur, dass jemand für sich, seine Familie und für die Gesellschaft jetzt und in der Zukunft bereit ist, gemessen an den eigenen Optionen, Nutzen zu stiften.
Superreiche bleiben gerne unter sich, siehe die Hideaways für the rich & famous. Aber gibt es etwas, was die Superreichen und der Rest der Welt miteinander teilen?
Absolut. Und zwar das Größte und das Wichtigste: die Welt, die Natur, das Glück, die Gesundheit, die Liebe und das Vertrauen. All diese grandiosen Werte kann ich mit Geld nicht kaufen. Und besitzen kann ich sie ohnehin nicht. Insofern haben die Reichen ohne Zweifel einen Lebensgestaltungsvorteil, aber das hat rein gar nichts mit der Seele des Menschen zu tun. Wir ahnen schon, dass die Welt auf ihrer Oberfläche zwar furchtbar ungerecht ist, aber im Kern auch unbestechlich bleibt.
Macht Vermögen glücklich? Anders gefragt: Kann man auch ohne Vermögen Glück empfinden?
Wer viel Geld hat, will immer mehr. Warum ist das so?
Wer viel trinkt, will mehr. Wer viel isst, will mehr. Wer viele Muskeln aufbaut, will mehr. Wer viel läuft, will weiter laufen. Wer ständig meckert, will mehr. Es ist wohl so, wenn wir nicht Maß halten, werden wir maßlos. Dies scheint mir eine menschliche Unart zu sein, die sich nicht nur auf bestimmte Gruppen kaprizieren lässt. Aber um Ihre Frage genau zu beantworten, muss man sich konkrete Fälle anschauen. Ansonsten schwätzt man etwas über Reichtum einfach so daher, wie es nun schon seit Jahrzehnten täglich geschieht. Ein überprüfbarer Aspekt unter vielen ist derjenige, dass zum Beispiel Unternehmerpersönlichkeiten oder bedeutsame Erfinder das Geld wirklich nur als Mittel zur Umsetzung ihrer Vorstellungen betrachten und behandeln. Sie dominieren ihren Reichtum und nicht umgekehrt. Es gibt sicher auch viele andere, die sich nicht zum Vorbild eignen.
Warren Buffett, einer der reichsten Menschen der Welt, sagte einmal: "Es ist schmerzhaft, auf so viel Geld zu sitzen. Aber noch schmerzhafter ist es, etwas Dummes damit anzustellen." Haben Sie Warren Buffet im Laufe Ihrer Studien auch einmal gesprochen/getroffen?
Superreiche können sich eigentlich alles leisten, was sie wollen. Gibt es für sie trotzdem etwas, wovon sie träumen?
Natürlich. Es sind jene Wünsche, die sie mit allen teilen, die eben auch mit Geld nicht gekauft werden können: Liebe, Gesundheit und Glück. Aber ich kenne auch Superreiche, die davon träumen wie es wäre, mit weit weniger Geld leben zu dürfen. Es scheint paradox, aber großer Reichtum wird von sehr sensiblen Seelen auch als Belastung empfunden. Hinzukommt die eigenartige menschliche Inkonsequenz, immer auch das zu wollen, was man nicht hat oder nicht bekommen kann. Die uns hervorbringende Natur ist weise, sie erlaubt den Reichen unglücklich zu werden und den weniger oder wenig Wohlhabenden dennoch glücklich zu sein.
Macht es einen Unterschied, ob das Vermögen selbst erarbeitet ist oder vererbt?
Selbstgedachtes, selbst Erschafftes, selbst Gemachtes schafft vor allem in psychologischer Hinsicht ein tieferes Gefühl für Leistung, für Anerkennung und für Demut. Insofern sind Schöpfer, Gründer und Innovationsunternehmer und schlicht Erneuerer oder Meister ihrer Passion stärker und substantieller mit ihren Leistungen verbunden. Das ist in bestimmter Hinsicht wie Vaterschaft oder Mutterschaft. Diese Verwurzelung kann ein Erbe nicht haben. Er oder sie müssen nach einer eigenen, verantwortungsbewussten Form der Erbverwaltung oder der Erbentwicklung streben. Die Herausforderung ist es, selbst schöpferisch tätig zu werden. Das ist mühsam und anstrengend. Da ist das bloße Nutzen des Erbens viel verlockender und einfacher.
Keiner will arm, alle wollen reich sein. Warum haben dann Reiche besonders Superreiche eine so schlechte Nachrede?
Die vermeintlich schlechte Nachrede entspringt in erster Linie einer medialen Produktionsquelle. Das Kalkül, Neugier, Vorwitz und Argwohn zu schüren, sei gut für das eigene Geschäft, spielt eine gewichtige Rolle. Vor allem aber die systematische Neid- und Verunglimpfungspropaganda der Ideologen und Politikparasiten nutzt die Reichtumsthematik, um die eigenen Interessen zu bespielen. Im wirklichen Leben ist die schlechte Nachrede eher überschaubar. Neid funktioniert vielmehr auf gleicher oder auf nächst höherer Ebene. Was uns alle wirklich stört, sind unfair erworbener Reichtum, Steuerhinterziehung und die ekelhafte Mentalität, sich trotz eigenen Reichtums noch jeden Vorteil gnadenlos sichern zu wollen.
Halten Sie sich über Luxusmarken, Immobilienpreise, Kunstauktionen etc. am Laufenden, um Ihrem Forschungsobjekt auf Augenhöhe begegnen zu können?
Die Welt zählt immer mehr Millionäre und Milliardäre. Die Mehrzahl lebt in Asien. Sprechen Sie auch Japanisch oder Chinesisch?
Eine großartige Frage. Touchė. Nein spreche ich nicht und das ist ein riesiger Nachteil. In vielen Ländern der Welt verwenden wir Simultanübersetzer. Und damit ist die Intimität und radikale Offenheit des vertrauensvollen, vermögenspsychologischen Interviews eingeschränkt. Das ist ein Baustein unserer Forschung, den wir durch sprachmächtige Mitarbeiter verbessern. Aber auch die neue Technologie und grandiose Übersetzungsprogramme helfen uns, diese Problematik allmählich zu kompensieren. Seltsamerweise sind aber die deutschsprachigen Vermögenenden in psychologischer Hinsicht, ohnehin die Verschlossensten. Insofern ist die sprachliche Problemlage überschaubar und engschlich tatsächlich die Brücke zur Welt.
Was können wir von den Vermögenden lernen?
Volle Konzentration, unbändiger Wille, bedingungsloser Einsatz und eine Spur Demut, Dankbarkeit und Leidensbereitschaft. Sie sehen, dass hat weniger mit Geld zu tun als mit Haltungen. Dennoch ist das sicher nicht alles, aber um vernünftig zu antworten, müsste ich Ihnen jetzt ein Buch schreiben.
Wie fühlt man sich als Normalo unter Reichen und Superreichen?
Großartig, wenn man nach Hause kommt.
Vielen Dank für das Gespräch.
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