Geister-Bilder könnten Bildtechnik revolutionieren

Der Quantenphysiker Anton Zeilinger überprüft die Einsatzbereitschaft seiner Versuchsanordnung
Ein revolutionäres quantenmechanisches Abbildungsverfahren könnte in Zukunft Fotografien mit Ultraviolett- oder Infrarotlicht möglich machen. Das Bild selbst wird mit einer anderen Wellenlänge aufgezeichnet und wiedergegeben.

Die Forscher Anton Zeilinger und Gabriela Barreto Lemos von der Universität Wien sowie des Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) haben ein völlig neuartiges Abbildungsverfahren entwickelt. In der Welt, die dem normalen Menschenverstand zugänglich ist, bildet man einen Gegenstand ab, indem man ihn mit Licht bestrahlt und anschließend die von ihm kommenden Lichtquanten (Energiepakete, Lichtteile, Photonen) mit einer Kamera auffängt. Zeilinger und Barreto Lemos nutzten nun ein grundlegendes quantenphysikalisches Phänomen und bildeten mithilfe verschränkter Photonen ein Objekt ab, ohne in seine Nähe zu kommen. Das Experiment wurde im Fachmagazin "Nature" publiziert.

Was wie Zauberei klingt, hat eine solide quantenmechanische Basis, für Normalsterbliche handelt es sich freilich um ein bizarres naturwissenschaftliches Phänomen: die sogenannte "Verschränkung" (Copyright: Erwin Schrödinger). Zwei Lichtteilichen sind über beliebige Distanzen so eng verbunden sind, dass sich bei Messung eines Teilchens der Zustand des anderen sofort ändert, ohne, dass man ein Signal von A nach B abgeben könnte. Albert Einstein nannte das einmal eine "spukhafte Fernwechselwirkung".

Paar-adoxon

Auch bei der Zeilinger/Lemos-Versuchsanordnung bilden infrarote und rote Photonen quantenmechanisch verschränkte Paare, die ihr Verhalten eng miteinander abstimmen. Die Forscher erzeugten diese Paare, in dem sie einen (optisch nicht linearen, also die Wellenlänge des einfallenden Lichts ändernden) Kristall mit grünem Laserlicht bestrahlten. Im Kristall entstanden aus dem grünen Laserlicht Photonenpaare mit jeweils einem roten und einem infraroten Lichtquant. Diese Quanten wurden mithilfe eines getrennten Spiegels getrennt, sodass nur die infraroten Photonen auf das Objekt, das abgebildet werden sollte, gelenkt wurden. Nachdem sie dieses Objekt passiert hatten, enthielten nicht nur die infraroten, sondern auch die mit ihnen verschränkten roten Photonen die optische Information über das Objekt.

Nun ließen die Forscher die in den Photonenpaaren enthaltene optische Information endgültig auf die roten Photonen übergehen. Dazu benutzten sie eine komplizierte Versuchsanordnung. Von dem grünen Laserlicht, mit dem sie die Photonenpaare erzeugt hatten, zweigten sie die Hälfte ab. Der so dazu gewonnene neue Lichtstrahl wurde mit den vom Objekt kommenden infraroten Photonen zusammengeführt und auf einen zweiten Kristall gelenkt. Auch in diesem Kristall entstanden aus dem grünen Laserlicht Paare von infraroten und roten Photonen. "Den einzelnen Photonen konnte man nun nicht mehr ansehen, ob sie vom ersten oder vom zweiten Kristall stammen", erläutert der ebenfalls am Experiment beteiligte Sven Ramelow. Die Ununterscheidbarkeit der Photonen hatte zur Folge, dass sie keine optische Information mehr über das Objekt enthielten. Deshalb wurde die zuvor auf beide Photonensorten verteilte Information nur noch allein von den roten Photonen getragen. Zur Abbildung des Objekts müssen die quasi wertlos gewordnenen infraroten Lichtteilchen nicht mehr aufgezeichnet werden.

Die nun ausschließlich in den roten Lichtteilchen enthaltene Information machte das Forscherteam sichtbar, in dem sie die roten Lichtwellen zur Interferenz (= Überlagerung von Lichtwellen, die teils zur Verstärkung , teils zur Auslöschung führt) brachten und mit einer speziellen CCD-Kamera (Charge Coupled Device) aufzeichneten. Als Beispielobjekt wählten die Forscher "Schrödingers Katze". Das ist ein mehr oder weniger verständliches Beispiel des Nobelpreisträgers Erwin Schrödinger, mit dem er grundlegende quantenmechanische Vorgänge zu erklären suchte: Eine Katze sitzt in einem Kasten, in dem sich noch ein weiterer Kasten mit einem radioaktiv zerfallenden Atom befindet. Wann der Verfall einsetzt weiß niemand, denn die Quantenmechanik ist eine Wissenschaft der Wahrscheinlichkeiten. Wird aber der zur Versuchsanordnung gehörige Geigerzähler durch den Zerfall angeregt, überträgt sich ein elektrischer Impuls auf einen Hammer, der wiederum eine mit Gift gefüllte Phiole zerschlägt und die Katze tötet. Nur wissen wir es eben nicht, weil der Kasten ja zu ist. Gewissermaßen ist die Katze halbtot, was zwar unserer Erfahrung widerspricht, denn man kann nur ganz oder gar nicht tot sein, in der Quantenwelt gelten unsere Alltagserfahrungen aber nicht mehr.

Anwendungen

Zurück zum Zeilinger-Lemos-Experiment: Dieses "unterstreicht die fundamentale Rolle, die Information in der Quantenphysik spielt", sagt Anton Zeilinger. Außerdem eröffne das neue Abbildungsverfahren vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. "Man kann ein Objekt fotografieren, indem man es mit Licht bestrahlt, das vom Ultravioletten über das Infrarote vielleicht sogar bis zur Terahertzstrahlung reicht, während man das Bild bei einer freigewählten Wellenlänge aufzeichnet, für die es leistungsfähige Messgeräte gibt. Das könnte man für die Bildgebung in der Medizin und für die Umweltuntersuchung nutzen."

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