Gedanken von unheilbar kranken Menschen

Hannelore bei sich zuhause in 1100 Wien.
Hannelore, Karl, Gökce und Maria. Sie alle haben niederschmetternde Diagnosen erhalten. Sie alle haben den Mut, zu sich nach Hause einzuladen, um über ihr Schicksal zu reden. (MIT PODCAST-BEITRÄGEN)

Die letzte schwere Krise im Leben eines Menschen ist dann, wenn eine todbringende, unheilbare Krankheit diagnostiziert wird. Es ist nur ansatzweise vorstellbar, was dies bei einem auslöst, wenn man selbst nicht betroffen ist. Eine Krankheit, die eine begrenzte Lebenszeit bedeutet, ist eine unserer größten Ängste. Der Moment, wenn der Arzt vielleicht diese Worte in den Mund nimmt: Tumor, Inoperabel, Chemotherapie, Sterben, Monate. Das Leben läuft an einem vorbei. Man sucht die Schuld. Fragt nach dem Warum. Und dann muss man sich entscheiden, wie man die verbleibende Zeit verbringen möchte.

Viele Betroffene sagen, dass es in dieser Zeit nur noch um die Krankheit ginge: Spitalbesuche, Befunde, Wartezeit, Medikamente. Der Mensch werde zur Krankheit. Daher sehnen sich diese Patienten ganz besonders nach einem Umfeld, das dies ausgleicht. Auch fehlendes Einfühlungsvermögen der Ärzte wird oft beklagt. Die bekannte Psychiaterin und Pionierin der Sterbeforschung, Elisabeth Kübler-Ross, hat einst geschrieben:

"Schon der Gesunde erträgt kaum die Geräusche, das Licht, die Pumpen, die vielen Stimmen, die den Kranken im Notaufnahmeraum überfallen... Im Notaufnahmeraum der Klinik entfaltet sich sofort die Geschäftigkeit von Schwestern, Pflegern, Assistenzärzten; vielleicht stellt sich eine Laborantin zur Blutabnahme ein, ein Spezialist, der ein Elektrokardiogramm machen will; vielleicht packt man den Kranken auf den Röntgentisch. Jedenfalls fängt er hier und da eine Bemerkung über seinen Zustand oder entsprechende Fragen an seine Angehörigen auf. Langsam unausweichlich beginnt man ihn als Gegenstand zu behandeln, er hört auf, eine Person zu sein. Oft entscheidet man gegen seine Wünsche, und wenn er sich dagegen aufzulehnen versucht, verabreicht man ihm ein Beruhigungsmittel. Er mag um Ruhe, Frieden und Würde flehen - man wird ihm Infusionen, Transfusionen, die Herz-Lungen-Maschine, eine Tracheotomie verordnen - was eben medizinisch notwendig erscheint. Vielleicht sehnt er sich nur danach, dass ein einziger Mensch einmal einen Augenblick bei ihm stillhält, damit er ihm eine einzige Frage stellen kann - doch ein Dutzend Leute machen sich rund um die Uhr an ihm zu schaffen, kümmern sich um seine Herz- und Pulsfrequenz, um Elektrokardiogramm und Lungenfunktion, um seine Sekrete und Exkrete - nur nicht um ihn als Persönlichkeit."

Hannelore, Karl, Gökce und Maria werden von der mobilen Palliativpflege der Caritas Socialis (CS) in Wien betreut. Ein Team, das genau diese Lücke versucht, zu schließen. Sie besuchen Menschen mit weit fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankungen und begrenzter Lebenserwartung. 169 Patienten waren es im Jahr 2016 - 91 davon sind in Betreuung verstorben. Diese Menschen haben meist starke Schmerzen oder sind total entkräftet. Viele leiden unter Übelkeit und Erbrechen, manche haben wuchernde Wunden, große Angst oder sie leiden psychisch massiv.

Wie lebt ein Mensch weiter, ohne zu wissen, wie der nächste Tag wird? Worauf blicken Hannelore, Karl, Gökce und Maria mit Stolz zurück und welche Dinge sind es, die sie bereuen? Was ist noch wichtig und wovor haben sie die größte Angst?

Hannelore, 75

Vor einem Jahr ging es Hannelore mit einem Mal sehr schlecht. Die Diagnose: COPD Stufe 3. Schwere Atemnot und ständige Erstickungsängste haben sie massiv entkräftet. Während des Gespräches muss sie immer wieder Pausen machen. Doch ihren Humor, den hat die Wienerin nicht verloren. Zum Erschrecken ihrer Kinder ist für den Tod schon alles vorbereitet.

Karl, 71

Die größten Sorgen macht sich Karl um seine Frau. Was wird aus ihr, wenn er nicht mehr da sein wird? Der Tumor, der in seiner Bauchspeicheldrüse sitzt, wird größer - trotz Behandlung. Die Chemotherapie, oder Höllenbrei wie Karl zu den Infusionen sagt, verträgt er sehr schlecht. Die Hoffnung hat er aber noch nicht aufgegeben.

Gökce, 44

Noch bis vor drei Jahren hat Gökce als Lehrerin unterrichtet. Heute sind ihr die eigenen Kinder wichtiger. Ihre Tochter und ihr Sohn sind 13 Jahre alt. Solange es geht, möchte sie für die beiden da sein. Ich besuche Gökce auf einer schönen Dachterrasse mitten in Wien. Leises Rauschen vom Straßenlärm trifft auf das Surren der Klimaanlage, die drinnen auf Hochtouren läuft. Ohne das Gerät könnte Gökce die Hitzewelle kaum aushalten.

Maria, 65

Die gesundheitlichen Probleme fingen schon vor vielen Jahren an. 1999 erhielt Maria ihre erste Diagnose: Brustkrebs. Dann folgte Schlag auf Schlag. Krankheit auf Krankheit. Heute ragt eine Trachealkanüle aus ihrem Hals. Ihre Stimme hat Maria verloren. Nur ihr Atmen ist zu hören. Ansonsten kommuniziert sie durch Schreiben, Gestik und Mimik.

Info:

  • CS Mobiles Palliativteam – 01/71753-3220 (Beratungsstelle der CS)
  • CS Betreuung und Pflege zuhause - 01/717 53-3800
  • CS Infos unter: www.cs.or.at
  • Angebote in ganz Österreich: www.hospiz.at

Kommentare