Kampf im Klassenzimmer: Diese Eltern nerven

"Frau Müller muss weg", finden die Eltern. Dann überlegen sie es sich wieder anders. Oder doch nicht?
"Frau Müller muss weg": Ein Film über die neue Generation von Vätern und Müttern und warum Problem-Eltern Druck machen.

Es ist Elternabend auf der Kinoleinwand. Elternabend mit fünf wütenden Müttern und Vätern, die gegen eine Lehrerin in den Kampf ziehen. Mit einer Unterschriftenliste und den bösesten Vorwürfen, die Eltern gegen eine Volksschullehrerin erheben können. Ausgebrannt, veraltetetes pädagogisches Konzept, Klasse nicht im Griff, die Kinder lernen nicht genug, unprofessionell. Das kommt Ihnen bekannt vor? Das haben alle Eltern schon einmal gehört, die sich je mit anderen Eltern von Schulkindern unterhalten haben.

Mitten aus dem Leben greifen Lutz Hübner und Sarah Nemitz, das Autorenpaar des neuen Films "Frau Müller muss weg" und Eltern einer Tochter, ihre Vorbilder: "Für uns war das Interessante an den Elternabenden, dass sich da Menschen treffen, die sich sonst nicht treffen würden. Sie sind nur darüber verbunden, dass ihre Kinder in dieselbe Klasse gehen. Für alle geht es um das eigene Kind. Was packen die Eltern ihren Kindern zusätzlich noch an Gewicht auf den Schulranzen? Inwieweit wird Leistungsdruck weitergegeben? Oder diese Forderung, dass die Kinder ganz früh schon in irgendeiner Form besondere Qualitäten entwickeln sollen."

Kampf im Klassenzimmer: Diese Eltern nerven
Frau Müller muss weg
Doch die Schule und die Lehrerin in "Frau Müller muss weg" wirken überraschend sympathisch. Unsympathisch sind nur die Eltern in ihrem verbissenen Kampf. Die verschiedenen Typen sind mitten aus dem Leben gegriffen:

Die toughe Karrieristin, Jessica

"Wir wollen nicht persönlich über die einzelnen Kinder sprechen", redet die gewählte Elternvertreterin den anderen ins Gewissen. Die Berufspolitikerin (Anke Engelke, selbst dreifache Mutter) zeigt perfekt, wie toughe Mütter ihre Professionalität im Zweikampf mit dem Schulpersonal ausleben können. Keine Zeit für ihren Mann und kein Zugang zu ihrer frühreifen Tochter. Sie selbst sagt, dass sie eine missratene Göre ist und gibt die Schuld - der Schule.

Die Montessori-Mutter, Marina

"'Hochbegabt' haben sie in der Montessori-Schule gesagt", plärrt die Mutter los, als ihr Kind als problematisch bezeichnet wird. Sie wundert sich, dass ihr Sohn nicht zu Geburtstagsfeiern eingeladen wird und gibt die Schuld - der Schule.

Der Verlierer, Wolf

"Leistungsschwach ist nicht das richtige Wort für meine Janine", betont der arbeitslose Vater. Seine größte Angst: Dass sie sich durch den Gruppendruck vom Lernen abhalten lässt. Die Schuld gibt er - der Schule.

Der Pragmatiker, Patrick

Ihm ist die Schule eigentlich egal, solange alles gut läuft. Am liebsten ist ihm, wenn seine Frau sich um alles kümmert. Wenn etwas nicht funktioniert, gibt er die Schuld - seiner Frau.

Die Alternative, Katja

Einen Musterschüler hat nur die Mutter, die gar nichts von ihrem Kind erwartet. Doch auch die entspannteste Mutter hat ihre Erziehungsprobleme, zeigt sich. Auch wenn die Fehler bei ihr nicht so offensichtlich sind.

Am meisten in ihrer Mitte ruht die angegriffene Lehrerin, zumindest vor dem Elternabend. In ihrer herzigen Klasse möchte man gerne die Schulbank drücken. Sie lässt sich gute Projekte einfallen. Macht sich Gedanken über ihre Klasse. Tritt den Eltern professionell gegenüber. Doch den Frontalüberraschungsangriff pariert sie, wie manch leidgeprüfte Eltern es gewohnt sind: radikal. Im Gegensatz zum wirklichen Leben beobachten die Zuschauer hier beide Seiten und auch ihre Kommunikationsfehler. Da fällt das Schwarz-Weiß-Zeichnen des gewohnten Lehrer-Bashings gleich nicht mehr so leicht.

Fast erleichtert hören die Zuschauer, wie sich Frau Müller wehrt: "Fassen Sie sich gefälligst an Ihre eigenen Nasen, bevor Sie mich für Ihre Fehler verantwortlich machen".

Als Vater dreier Kinder waren Sie sicher schon auf dem einen oder anderen Elternabend. Was haben Sie dabei erlebt?
Sönke Wortmann:
Wir haben das Glück, dass unserer Kinder auf einer tollen Schule sind, da sind auch viele coole Eltern, die das alles nicht so verbissen sehen, wie die Eltern im Film. Aber die Prototypen, die dort vorkommen, die gibt es natürlich überall. Richtig leiden musste ich bisher noch nicht, außer dass die Elternabende doch oft länger dauern als sie müssten

Gehen Sie selbst zu diesen Treffen?
Ja. Ich sage meistens nichts, aber ich finde es wichtig, dass man sich anhört, wo der Schuh drückt - wenn er drückt. Wenn ich um meine Meinung gefragt werde, sage ich sie auch. Aber ich bin nicht zum Elternsprecher gewählt worden. Da gucken ja immer alle weg. Einer findet sich dann am Ende aber doch immer.

Über Lehrer wird viel geschimpft. Ihr Film weckt aber auch Verständnis für deren Situation.

Das will ich schon. Die Lehrerin im Film macht natürlich auch Fehler. Es gibt gute und schlechte Lehrer, aber es gibt auch gute und schlechte Eltern. Ich finde es wichtig, dass alle im Gespräch bleiben oder überhaupt ins Gespräch kommen, vor allem, wenn eine Situation sehr verfahren ist. Sie haben gegenseitig sehr wenig Verständnis füreinander, es gibt Vorurteile und vorgefertigte Meinungen. Die Theateraufführung in Berlin haben auch Gruppen von Eltern und Lehrer gemeinsam besucht, um dann darüber sprechen. Das hat mir gut gefallen. Wenn das der Film auch schafft, bin ich froh.

Der Übertritt aufs Gymnasium am Ende der Grundschulzeit ist bei Eltern ein heikles Thema. Was für Reaktionen haben Sie auf das Theaterstück bekommen?
Die Leute fanden wichtig, dass das überhaupt mal zum Thema gemacht wird. Die Konstellation Elternabend habe ich im Kino so noch nicht gesehen. Lehrer sind auch froh, dass dieses Thema angesprochen wird. Ihr Leidensdruck ist genauso groß, wie bei den Eltern.

Können Sie die Sorgen der Eltern verstehen, dass ihre Kinder es möglicherweise wegen der Noten nicht aufs Gymnasium schaffen?
Ich verstehe schon, dass Eltern das Beste für ihr Kind wollen. Dieser Wunsch führt aber mittlerweile zu psychologisch bedenklichen Reaktionen, weil wir fälschlicherweise glauben, dass sich in dem Moment, wenn die Kinder zehn Jahre alt sind, ihr Leben mit dem Übertritt zum Gymnasium entscheidet. Das stimmt nicht. Selbst in Bayern gibt es einen Weg, später Abitur zu machen, auch wenn man erst mal nicht aufs Gymnasium geht. Das System ist vielleicht nicht so durchlässig, wie in anderen Bundesländern, aber es geht trotzdem.

Raten Sie den Eltern zu mehr Gelassenheit?
Darum geht es auch in dem Ausblick am Schluss des Films: Er erzählt, was aus den Kinder später geworden sein wird. Das größte Problemkind Lukas wird immerhin Olympiasieger im Rudern. Das soll heißen: Jetzt bleibt mal locker, vertraut euren Kindern, das wird schon alles. Das ist eine Haltung, die ich ein bisschen vermisse. Die Eltern sind heute zu protektiv.

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