Fall Küblböck: Der hohe Preis des schnellen Ruhms
Zwei Tage nach seinem Verschwinden wird Daniel Küblböck immer noch vermisst: Der 33-Jährige war am Sonntagmorgen auf einem Kreuzfahrtschiff über Bord gegangen (der KURIER berichtete) – obwohl die Unfallursache noch nicht geklärt ist, vermute man, dass der prominente Passagier absichtlich ins 10 Grad kalte Meer gesprungen sei, verlautbarte ein Sprecher der Reederei.
Es ist möglicherweise das tragische Ende des einstigen TV-Spaßvogels, der es 2002 in der ersten Staffel von „ Deutschland sucht den Superstar“ mit seinem schrägen Auftreten über Nacht von der bayrischen Provinz ins Scheinwerferlicht geschafft hatte. In den Monaten danach kam fast keine Talkshow, kein roter Teppich und keine Ausgabe der Bildzeitung ohne den damals 17-Jährigen aus. Doch der rasche Ruhm war nicht nachhaltig: Das Zeitalter der Castingshows hatte gerade erst begonnen, das Fernsehen produzierte jährlich neue Stars, während Küblböcks Pop-Karriere langsam verebbte. Er litt darunter, dass er das Image des kindlichen Paradiesvogels nie los wurde.
Fallen gelassen
Einer, der die Fallhöhe einer Castingshow am eigenen Leib erlebt hat, ist Lukas Perman. Zur selben Zeit wie Küblböck wurde er in der ersten Staffel der ORF-Show „Starmania“ bekannt. Der Hype war extrem, erinnert sich der heute 37-Jährige: „Im ersten halben Jahr konnte ich nicht auf die Straße gehen, weil ich sofort von jungen Fans belagert wurde. Da tut sich plötzlich eine Parallelwelt auf, in der man sich sehr verlieren kann. Man glaubt, alles ist möglich.“
Ein Trugschluss: Spätestens mit Beginn der zweiten Staffel ebbte das Interesse an der „ersten Generation“ stark ab, erzählt Perman, damals 21 Jahre. „Die Leute von der Plattenfirma haben teilweise nicht mehr abgehoben, wenn man sie angerufen hat. Beim ORF gab es zwar ein paar sehr nette Leute, aber richtige Ansprechpersonen hatten wir nicht. Man wird letztlich verwendet, das darf man nicht vergessen.“ Es sei auch „eine Sache der Persönlichkeit“, wie man den Ausflug in die Popstar-Welt verkraftet, sagt Perman, der „immer noch denselben Freundeskreis wie vor Starmania“ hat und als Musicaldarsteller endgültig Karriere machte. Anderen setzte diese Achterbahn mehr zu (siehe unten).
Wunsch nach Liebe
Bei allen Risiken seien Castingshows nicht pauschal zu verurteilen, sagt der deutsche Medienpsychologe Jo Groebel. Er kennt die Branche und hat auch Küblböck persönlich kennengelernt. Dessen Wunsch nach Anerkennung sei früh entstanden, wohl ausgelöst durch die Vernachlässigung der Mutter, vermutet der Experte. „Das Rampenlicht schafft dann eine Abhängigkeit, wenn es als Liebe missverstanden wird.“ Das allmähliche Erlöschen der Scheinwerfer verursache Entzugserscheinungen, mit denen manche besser, manche schlechter zurechtkommen. „Wem der Ruhm nicht der einzige Wert im Leben ist, wer Familie und Freunde hat, dem kann das Auf und Ab der Prominenz nur begrenzt etwas anhaben.“
Dieter Bohlen sei überrascht gewesen, wie „unheimlich traurig und depressiv“ sein Schützling sein konnte. Welche Rolle dabei dessen geschlechtliche Identität spielte – auf Instagram postete er zuletzt Selfies mit Schmuck und Frauenkleidern und versah sie mit dem Hashtag #transsexuell –, ist nicht bekannt. Auf der Schauspielschule wurde er wegen seiner Vorliebe gemobbt, schrieb Küblböck im August auf Facebook. „Castingshows per se machen nicht depressiv, können solche Tendenzen aber verstärken“, kommentiert Groebel.
Verschwunden ist der Wunsch nach Anerkennung nie. Als er seine TV-Karriere 2015 bei „Let’s Dance“ zu reanimieren versuchte, sagte er: „Ich möchte irgendwann noch mal ganz oben stehen.“
Starmania: Das Leben nach der Castingshow
Sie galten als Shootingstars der österreichischen Musikszene: Bei der ersten Staffel von „Starmania“ (2003) erreichte Boris Uran im Finale der Castingshow hinter Michael Tschuggnall und Christina Stürmer den dritten Platz. Danach waren die Hoffnungen des Kärntners groß: Nach dem Finale folgte sein erstes Album, er erhielt eine KURIER ROMY und moderierte die ORF-Song-Contest-Sendung.
Nach zwei Jahren kam der Bruch: Das Album und seine eigene TV-Sendung floppten, Urans Band wurde aufgelöst. Dieser plötzliche Absturz war zu viel. Der Ex-Starmaniac ließ sich wegen Depressionen in eine psychiatrische Klinik einweisen. „Es ist absolut nichts mehr weitergegangen, das hat mich fertiggemacht. Und dann ist die Depression gekommen“, erzählte er 2006 rückblickend in einem Interview.
Hörsaal statt Bühne
Auch um Sieger Michael Tschuggnall wurde es nach Starmania bald ruhig. Mit seinem zweiten Musikalbum schaffte es der Tiroler nicht mehr in die Charts, also widmete er sich wieder seinem Studium. Heute arbeitet er am Institut für Informatik an der Uni Innsbruck.
Nur für die Zweitplatzierte, Christina Stürmer, hat die Castingshow als Erfolgskatalysator funktioniert: Über 1,5 Millionen Tonträger hat die Pop-Rock-Sängerin seit Starmania verkauft. Vor Kurzem meldete sich Stürmer mit einem neuen Song aus der Babypause zurück. Ende September wird ihr neues Album erscheinen.
Was es heißt, seinem Traum nachzujagen, weiß auch Nadine Beiler: Die Tirolerin wurde 2007 mit nur 16 Jahren ebenfalls durch „Starmania“ zum Popstar gecastet. Ihre wachsende Bekanntheit in der Öffentlichkeit setzte Beiler zunehmend unter Druck: „Bei Starmania war ich behütet. Doch draußen konnte ich nirgends hingehen, ohne dass Leute mich erkannt und blöd angemacht haben“, sagte die Sängerin in einem Interview 2015. 2011 holte sie für Österreich beim Song Contest den 18. Platz. Auch lange nach Starmania träume sie noch von einem Grammy, erzählte sie der Tiroler Tageszeitung. Bis dahin konzentriere sie sich auf Zwischenziele: Im Herbst erscheint ihr neues Album.
von Nina Horcher
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